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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Josefine erschreckt, »ich habe eine hübsche Geschichte von einer armen Marie gelesen, und Mademoiselle Adele hat sie mir erklärt, und jetzt freue ich mich so darauf, daß mir Papa eine andere liebe Marie mitbringen will, mit der ich spielen und tüchtig lernen kann.«
    »Und so sehnst du dich gar nicht wieder zu dem früheren Leben zurück, und wenn du auch ein eigenes kleines Pferd bekämest?«
    »Nein, Mama,« sagte Josefine rasch, »ich will bei dir, bei Papa und Mademoiselle Adele bleiben und mit Marie recht, recht fleißig lernen. Du sollst sehen, ich werde einmal ein recht gutes, braves Mädchen.«
    Georgine erwiderte nichts, aber sie preßte die Lippen fest zusammen, und ihr Gaul fühlte die Peitsche, daß er in toller Flucht den Weg entlang stob.
    Georgine kannte die Waldwege genau, und links abbiegend wußte sie, daß sie das Forsthaus umfahren konnte, um die bezeichnete Eiche zu erreichen. Außerdem glaubte sie kaum jemanden heute im Walde zu treffen, denn bei dem Begräbnis einer so allbekannten Persönlichkeit wie der »faule Tobias«, von dem ihr die alte Wirtschafterin gestern abend noch viel erzählt hatte, litt schon die Neugierde die Leute nicht zu Hause. Begegnete sie aber auch wirklich einem oder dem andern der Forstleute oder Holzmacher, so rechtfertigte das schönesWetter vollständig eine Spazierfahrt, und niemand hätte an etwas anderes denken können.
    Georgine bog aufs neue in die vom Forsthaus nach der sogenannten »Zaubereiche« führende Straße ein. Hier war wieder Bahn, da einzelne Holzschlitten hin und her gefahren sein mußten. Dort vor ihr lag der ziemlich freie, lichte Platz, an dem die alte, ehrwürdige Eiche stand. Dort sah sie auch die dunkle Gestalt eines Mannes, und kaum eine Minute später zügelte sie ihr schnaubendes Roß neben der Stelle ein – aber Herr von Silberglanz war nicht da.
    Neben der Eiche, auf einer hölzernen Bank, von der er den Schnee hinweg gekehrt, neben ein paar roh behauenen, mächtigen Steinblöcken, die der Volksmund als den Opferaltar der hier früher hausenden Heiden bezeichnete, saß der alte Forstwart Barthold und stand ehrerbietig grüßend auf, als er die »Frau Baronin« erkannte.
    »Guten Tag, Forstwart,« sagte die Dame und nickte ihm zu, während ihr Blick ungeduldig den schmalen Pfad hinabflog, auf dem sie den hierher bestellten Herrn von Silberglanz erwarten mußte. »Wie geht's? – was habt Ihr da?«
    »Einen Fuchs, gnädige Frau,« sagte der alte Mann, indem er seinen Ranzen öffnete, aus dem die Lunte des überlisteten Raubtieres heraushing. »Ich habe ihn heute morgen ausgegraben, denn das ist böses, nichtsnutziges Raubzeug, das im Winter wie im Sommer nur in einem fort zusieht, wo es was zu stehlen findet. Wir haben unter den Menschen auch solch Gesindel, nur daß man sie nicht immer gleich am Pelz draußen so gut erkennen kann wie die da.«
    »Seid Ihr schon lange hier. Forstwart?«
    »Nein, gnädige Frau – etwa eine Viertelstunde.«
    »Ihr seid nicht vom Dorfe heraufgekommen?«
    »Nein – gerade von der andern Seite aus dem Walde. Nur als ich die Glocke unten hörte, die dem alten Tobias das Geleite zur letzten Ruhestätte gibt, da setzte ich mich hier auf die Bank und horchte den Tönen. Es klingt ja so heilig und erhebend, wenn man die Glocken kann im Walde anschlagen hören, noch dazu von einem solchen Platze aus wie dieser, wo sie in früheren Jahrhunderten ihren Götzen Opfer schlachteten und von dem lieben Herrgott da oben nichts wissen wollten. Sonntag morgens bin ich fast immer hier, besonders im Sommer, und mit dem Geläute unten, dem Singen der Vögel und dem Rauschen des Waldes müßte das ein verstockter Mensch sein, der da nicht von Herzen beten könnte.«
    Georgine hörte kaum, daß er sprach. Ihr Blick schweifte unruhigüber ihn hin und an den Stämmen bei Bäume vorüber. Wenn er sein Wort nicht hielte! dachte sie mehr, als daß sie es durch die halb geöffneten Lippen murmelte, und fast unwillkürlich ballte sich die Rechte zornig um die gehaltenen Zügel. Das Pferd scharrte indessen ungeduldig den Schnee und blies den Dampf aus seinen feinen Nüstern in die klare Luft hinein.
    »Aber, Mama,« sagte Josefine, »du hältst so lange still. Wird es deinem Fingal nicht schaden?«
    Der alte Forstwart, der seinen Blick schon lange ernst und aufmerksam auf der Kleinen hatte haften lassen, lächelte, als er die Worte hörte.
    »Sieh, wie besorgt das kleine gnädige Fräulein schon um das arme Tier ist! Das ist recht;

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