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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Steinpflaster schon lange müde gewordenen alten Begleiter her undhin, sich selber nicht einmal ganz klar dabei, was er mit dem Entführer anfangen solle, wenn er ihn wirklich träfe.
    Aber auch diese Suche mußte er endlich als durchaus hoffnungslos aufgeben, denn Barthold leistete ihm darin nicht einmal die Dienste, die er von ihm erwartet hatte. Durch die ganz ähnliche Kleidung so vieler Tausende nämlich fortwährend getäuscht, hielt er bald den, bald jenen für den Gesuchten, und brachte Georg dadurch ein paarmal so in Verlegenheit, daß er froh war, durch irgend eine Entschuldigung von fälschlich angeredeten Personen wegzukommen.
    Sein Quartier hatte er in Hamburg bezogen und dort sein Pferd eingestellt, und dahin begab er sich endlich wieder mit dem Forstwart den einbrechenden Abend und die Stunde der angekündigten Vorstellung abzuwarten.
    Der Abend kam, und Georg, in einem alten Mantel gehüllt, nahm für sich und den Forstwart zwei Sitze auf dem dritten Platz, um dort keinerlei Gefahr ausgesetzt zu sein, erkannt zu werden. Und mit welchen Gefühlen wohnte er dem Beginn dieser Vorstellung bei – mit welcher furchtbaren Pein war er Zeuge ihres weiteren Verfolges!
    Barthold hatte im Anfang die Zuschauer genau mustern müssen, ob er den Fremden aus dem Walde hier wieder erkenne, aber ohne Erfolg. So sicher er geglaubt, sich auf sein Auge verlassen zu können, so verwirrt sah er sich hier in dieser neuen, ihm völlig fremden Welt, mit tausend Gesichtern um sich her, die, alle in einer Kleidung steckend, auch für ihn alle den einen Stempel in Ausdruck und Form zu tragen schienen. Er konnte den, den er suchte, nirgends finden. Sowie aber die Vorstellung begann, wurde Georgs Aufmerksamkeit vollständig auf diese gelenkt – er hatte alles andere in dem einen Gefühl vergessen, sein Kind wiederzusehen – seine Josefine, und eine unsagbare Pein schoß ihm durchs Herz, als er sich dachte, wie.
    Und die Musik begann. Der Possenreißer erschien, mit seinen eklen Gliederverrenkungen die Zuschauer zu belustigen, und Barthold hätte ein Jahr da sitzen können, ehe er in der buntbemalten, aus lauter Gelenken bestehenden Gestalt mit ihren widernatürlichen Bewegungen den sonst so steifen, ernsten »Schwiegervater vom Gute« wiedererkannt hätte. Georg wandte sich in Ekel von ihm ab. Jetzt schmetterten die Trompeten, jetzt wichen die Menschen in dem schmalen Eingange zurück – einige dänische Offiziere und andere Kavaliere, die sich dorthin, der Damen des Zirkus wegen, postiert hatten – und herein auf ihrem eigenen Pferde, in Licht und Glanz strahlend, das Antlitzordentlich in Freude und Triumph, in wilder, ungebändigter Siegeslust leuchtend, flog – Georgine.
    Und sie war schön, diese Königin der Amazonen, schön wie das flammende Meteor, das seinen Glutenstreifen pfeilschnell durch den dunkeln Himmel zieht; schön wie das zuckende Nordlicht, das mit seinen Feuerstrahlen die kalte Winternacht erhellt. Ihre Augen flammten, ihre ganze Gestalt hob sich, und wie das Publikum erst in staunender Bewunderung diese plötzlich auftauchende, leuchtende Erscheinung angestarrt, so brach plötzlich das Eis, das es bis dahin wie gebannt gehalten, und donnernder, nicht endender Applaus grüßte sie beim ersten Betreten ihrer neuen Laufbahn wieder.
    Dieser Beifallssturm schien den Körper des wirklich wunderschönen Weibes ordentlich zu durchzucken, schien ihn emporzutragen mit sich selbst. Kaum berührten ihre Fußspitzen den Sattel, über dem sie mehr schwebte, als daß sie auf ihm stand, und während höhere, fast glühende Röte ihr Antlitz färbte und ihre Augen leuchteten, während die Locken im scharfen Luftzuge flatterten, und das Pferd selber, das sie trug, einen Teil der Begeisterung mit zu fühlen schien, brach sich der stürmische Applaus, wie das regelmäßige Branden einer See, immer wieder und wieder Bahn und übertäubte selbst die schmetternde Musik. Barthold hatte sie erkannt – gleich auf den ersten Blick, denn diese Züge, einmal gesehen, waren nicht so leicht wieder vergessen. Er blickte auch Georg schüchtern und erstaunt von der Seite an. Dessen totenbleiches Antlitz verriet aber nur zu deutlich, was in ihm vorging, und er wagte nicht, ihn auch nur mit einem Laut, mit einer Bewegung zu stören.
    Die Tour war vorüber – wieder und wieder mit tobendem Beifallsjauchzen gerufen, zog sich die schöne Reiterin zurück, und ein paar der Clowns zeigten jetzt ihre Künste.
    »Mademoiselle Georgette!«

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