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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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– hier zwischen den hohen Häusern wird es mir so schwül und eng. Ich komme mir vor wie ein Vogel im Bauer, und wenn ich hier bleiben müßte – ich glaube, ich stürbe in der ersten Woche vor Sehnsucht nach einem Baume.«
    »Aber wir haben heute Bäume genug gesehen.«
    »Ja, leider Gottes,« seufzte der alte Mann, »und die armen Dinger haben mich auch genug gedauert. In Reihen aufgepflanzt, stehen sie wie die Soldaten, dürfen keinen Zweig über die Linie hinausstrecken, wenn ihnen nicht das widerspenstige Glied weggeschnitten werden soll, und statt der freien Himmelsluft, die gern von oben zu ihnen möchte, aber nicht kann, bekommen sie Steinkohlenqualm und allen möglichen andern Dunst und Stank zu atmen. Und nun erst so ein armer Baum mit einer flammenden Laterne neben sich, wie muß dem zumute sein! wie elend, wie gedrückt muß er sich fühlen! Die Bäume verlangen in der Nacht so gut ihre Ruhe wie der Mensch und das Tier, und kann so ein Baum schlafen, wenn ihm die neugierigen Flammen fortwährend zwischen die Äste hineinleuchten und Wagengerassel und Menschenstimmen ununterbrochen das Rauschen seiner Wipfel übertäuben? – Es ist nichts mit den Bäumen in einer Stadt, und wie ein Reh kein Reh mehr bleibt, wenn man's in einen Kasten mit Gitterstäben steckt und notdürftig füttert, um das arme Ding am Leben zu erhalten, so sind meiner Meinung nach das hier, was wir heute gesehen haben, auch keine Bäume mehr, sondern nur grüne Verzierungen, die sich das Menschenvolk da aufgestellt. Ich kann mir auch nicht denken, daß ein solcher Baum imstande ist zu wachsen – es ist gegen die Natur, und sein Laub wird im Sommer auch dürftig und staubbedeckt genug sein. Was ist da solch eine ganze Allee gegeneinen einzigen Baum im freien, schönen Walde? – gegen meine alte Eiche?«
    Der Alte hätte noch ruhig eine Weile so fortgeschwatzt, obgleich Georg, mit seinen Gedanken schon wieder weit zurück, nicht einmal die Worte hörte, die er sprach; aber sie erreichten jetzt den freien Platz, auf dem ihr Hotel lag, und Georg bog links danach ein und betrat gleich darauf mit dem Forstwart die unten gelegene Restauration. Fühlte er doch selber das Bedürfnis, den abgespannten Körper auszuruhen und zu stärken, und Barthold war ordentlich heißhungrig nach irgend etwas Genießbarem geworden.
    Der große Saal war noch schwach besetzt, füllte sich aber bald mit nach und nach eintreffenden Gästen, und Georg nahm an einem kleinen Tische Platz, bestellte bei einem rasch herbeispringenden Kellner ein kompaktes Abendbrot für sie beide und hing indessen seinen eigenen trüben Gedanken nach.
    Barthold wußte sich besser zu beschäftigen und nahm einstweilen das vor ihn hingelegte Rundstück oder Brot in Angriff, dem knurrenden Magen nur wenigstens etwas zu bieten. Dann betrachtete er staunend das geräumige, prachtvoll eingerichtete Lokal, das seinem Begriff von einer »Stube« auch nicht im entferntesten entsprach. Das ganze Forsthaus daheim war nicht einmal so groß und geräumig, und auf dem Gute selber nicht die Hälfte der Pracht an Hausgerät, Tapeten und Beleuchtung. Was für ein schmähliches Geld mußte das alles kosten, und wie reich, wie steinreich mußte der Mann sein, dem das gehörte! Dann interessierten ihn auch die fremden Holzarten, die er hier sah, und er würde diese näher untersucht haben, wäre nicht in dem Augenblick das Essen gekommen. O wie süß das duftete! und der alte Forstwart hatte im Nu alles andere darüber vergessen.
    Der Saal füllte sich indessen mehr und mehr, und dem alten Forstwart wollte nur das nicht dabei gefallen, daß keiner den andern grüßte und Leute sich manchmal dicht neben andere hinsetzten, ohne auch nur so viel wie »guten Abend« zu sagen. Georg hatte eine Flasche Wein bringen lassen und schenkte dem Alten ein – und wie vortrefflich schmeckte das! – er trank ein Glas nach dem andern. Mehr und mehr Menschen kamen und besetzten die nächsten Tische. Barthold unterließ dann nie zu grüßen, erhielt aber kaum ein Kopfnicken als Antwort – nicht einmal die Hüte setzten die groben Menschen ab! Das Essen schmeckte ihm aber trotzdem, und Georg war lange damit fertig, als er noch immer fleißig Messer und Gabel handhabte. Mehr und mehr Gäste kamen herein; an dem nämlichen Tische, andem Georg und der alte Forstwart saßen, hatten schon neben ihnen vier oder fünf andere Gäste Platz genommen; Georg sah sie gar nicht; vor seinen Augen schwebte nur die unglückliche

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