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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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kommst,« erwiderte Georg, indem er durch die ihm bezeichnete Tür verschwand. Karl blieb noch einen Augenblick stehen.
    »Alle Wetter,« dachte er bei sich, »der Herr sieht genau so aus wie der famose Kunstreiter Monsieur Bertrand, und mein Herr und er duzen sich?«
    »Nun, auf was wartest du?«
    »Halten zu Gnaden!« rief Karl erschreckt, »soll ich sie hereinführen?«
    »Es sieht hier freilich ein wenig wild aus, aber die besseren Zimmer sind besetzt. Wenn sie einen Junggesellen besucht, muß sie fürlieb nehmen, wie sie es findet. Bitte sie, näher zu treten. – Apropos, den Jäger, der mit – dem Herrn gekommen, bringe mir gut unter, und sorge dafür, daß es ihm an nichts fehlt. Wenn alles in Ordnung ist, soll er herauf zu mir kommen; ich will mit ihm sprechen. Noch eins – der Johann muß dann gleich auf den Bahnhof, um ein Pferd dort abzuholen.«
    »Sehr wohl!«
    Karl verschwand durch die Tür, die sich bald darauf wieder öffnete, und eine Dame trat herein und ging auf Wolf zu.
    »Gnädige Frau,« sagte dieser, »Sie haben gewünscht ...«
    Die Dame stand mitten im Zimmer und sah ihn lächelnd an.
    »Heiliger Gott!« fuhr Wolf erschreckt empor. »Mutter – du?«
    »Das war eine Überraschung, nicht wahr?« sagte die alte Dame, indem sie ihre Arme liebkosend um das an sie geschmiegte Haupt des Sohnes legte. »So habe ich es mir ausgedacht und mich lange, lange schon darauf gefreut.«
    Karl öffnete in diesem Augenblick die Tür ein wenig, denn es war ihm, als ob ihn sein Herr gerufen hätte, schloß sie aber augenblicklich wieder, als er die Gruppe bemerkte und murmelte nur leise vor sich hin: »Sonderbar! sonst ist mein Herr mit allen Leuten, die zu ihmkommen, ganz erschrecklich kalt und kurz angebunden, und heute fällt er allen um den Hals – doch was geht's mich an!«
    »Aber was führt dich jetzt hierher zu uns?« rief Wolf, indem er seine Mutter zum Sofa führte. »Keine Silbe hast du davon in deinem letzten Briefe erwähnt.«
    »Komme ich dir so ungelegen, mein Kind?«
    »Nie glücklicher als jetzt,« rief Wolf, »so lieb du mir auch immer bist, aber fröhlicher begrüßt hätte ich nie deine Ankunft.«
    »In der Tat?« lächelte die alte Dame, »und was ist heute morgen so Besonderes vorgefallen? Apropos, da draußen standen Koffer; ist jemand zu dir gekommen oder willst du verreisen?«
    »Beides – wenn auch nicht gleich, da ich dich jetzt hier habe.«
    »Aber, Wolf, Wolf,« sagte die alte Dame, ihn mit wachsender Unruhe betrachtend, »was fehlt dir? – bist du krank gewesen? – Deine Wangen sind bleich und eingefallen; deine Augen liegen tief in ihren Höhlen und haben das Feuer nicht mehr, das sie früher hatten. Ist etwas vorgefallen? – Laß' mich's wissen, Wolf – sonst,« setzte sie herzlich hinzu, »war ich ja doch immer deine Vertraute.«
    »Vorgefallen ist allerdings etwas, lieb Mütterchen,« sagte Wolf, der ihre Aufmerksamkeit von sich abzulenken wünschte, »aber nichts, was mich niederdrücken könnte. Ein leichtes Unwohlsein hat mir vielleicht für den Augenblick die sonst lebendigere Farbe genommen – weiter nichts.«
    »Nein, mein Kind,« sagte aber die alte Dame, denn das Mutterauge sah schärfer als das der anderen, »das ist mehr als ein leichtes Unwohlsein. Du warst entweder ernstlich krank, Wolf, oder irgendein geheimer Kummer nagt dir am Herzen. Du kannst mich nicht täuschen. – Habe ich dein Vertrauen verloren, Wolf?«
    »Nein, liebe Mutter, gewiß und wahrhaftig nicht, und du sollst später alles erfahren, was geschehen, aber nicht jetzt – nicht in diesem Augenblick, wo ich dir nur Freudiges zu verkünden habe. Erst sage mir aber, wo du abgestiegen bist.«
    »Im Russischen Hofe. Ich wollte niemand zur Last fallen. Ralphens hatten mich allerdings in früherer Zeit gebeten, wenn ich einmal wieder nach *** käme, ihr Haus als das meine zu betrachten, und es sind liebe, gute Leute; ich habe es aber doch vorgezogen, ein Hotel zu wählen. Bleibe ich länger hier, was leicht möglich ist, so quartiere ich mich vielleicht bei dir ein – wenn du mich nämlich haben willst.«
    »Gute Mutter!«
    »Es ist mir in der letzten Zeit,« fuhr die alte Dame fort, »recht weh und einsam zu Hause geworden. Ich weiß eigentlich selber nicht, wie es kam, aber – alles schien mir wie ausgestorben um mich her, und alte trübe Gedanken gewannen mit jedem Tage, soviel ich mich auch gegen sie wehrte, mehr Gewalt über mich. War es die Wiederkehr des Jahrestages, an dem uns Georg damals

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