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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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vergessende Persönlichkeit, dieser Herr von Zühbig, dessen Gesicht mit dem tief hinabgedrehten, schwarzen Schnurrbart, wie den hinaufgezogenen, etwas starken Augenbrauen den unverkennbaren Ausdruck trug, als ob er permanent über irgendeinen Gegenstand sein äußerstes, aber auch untertänigstes Bedenken ausdrücken wolle. Der Mann sprach auch eigentlich nie, er lispelte nur, und lispelte dabei so süß, so lieb, so herzlich, recht aus tiefster Seele, daß man ihm zuletzt den Schnurrbart gar nicht mehr glaubte.
    »Habe ich wirklich so ein finsteres Gesicht gemacht, Herr Intendant?« fragte Geyerstein, sich zu ihm wendend.
    »Entsetzlich,« rief der Höfliche, und die Augenbrauen berührten fast das wohlgelockte und geölte Haar.
    »Dann denunzieren Sie diesen Verstoß gegen die Etikette um Gottes willen nicht dem Zeremonienmeister. Übrigens gebe ich Ihnen die Versicherung, daß es nur ganz in Gedanken geschehen sein kann, ohne den geringsten Grund, denn ich dachte wirklich eben nur an ganz gleichgültige, unbedeutende Sachen.«
    »Apropos, Herr Graf, haben Sie die neue Robe unserer Allergnädigsten schon bewundert? Sie ist wirklich magnifique.«
    »Ich muß Ihnen meine Unaufmerksamkeit gestehen; ich habe es in der Tat noch nicht getan.«
    »Dann versäumen Sie keinen Augenblick länger, cher comte . Die Herrschaften werden sich überdies sehr bald wieder zurückziehen. Unser gnädigster Herr war so unendlich huldreich heute – Sie hatten vorher eine längere Audienz bei Seiner Königlichen Hoheit, nicht wahr? Wohl Dienstsachen?«
    »Allerdings.«»Königliche Hoheit haben nichts über die gestrige Vorstellung erwähnt?«
    »Nicht, daß ich mich erinnere.«
    »Herr Generalintendant,« flüsterte in diesem Augenblick ein Kammerherr an seiner Seite, »Seine Königliche Hoheit wünschen...
    »Zu Befehl!« rief der Geschmeidige, indem er in dem Moment auch fast um wenigstens sechs Zoll kleiner wurde, und den Arm des Kammerherrn ergreifend, schritt er mit diesem, nach einem huldreichen, überglücklichen Lächeln gegen den Grafen, der Richtung zu, in der sich der Fürst befand, unterwegs indessen die ihm übersandten Befehle des Herrn entgegenzunehmen.
    Noch stand der Rittmeister auf seiner Stelle, wo ihn von Zühbig verlassen hatte, als ein Herr, ein großer, stattlicher Mann mit militärischem Anstand, aber glatt rasiertem Gesicht, mehr jedoch noch durch seinen einfach schwarzen Frack, an dem nicht ein einziger Orden prangte, gegen die übrige gestickte, geschmückte und uniformierte Gesellschaft abstechend, zu ihm trat. Es war der amerikanische Gesandte, Oberst Pollard, erst seit kurzer Zeit in ***.
    »Mein Herr Graf,« redete er den jungen Mann an, den er schon früher kennengelernt und liebgewonnen hatte, »ich muß Sie um eine Auskunft bitten.«
    Der Graf verbeugte sich leicht.
    »Wer war der Herr, der Sie eben verlassen hat?« fragte der Oberst. »Es soll ein französischer General bei Tafel gewesen sein. – War jener Herr vielleicht...?«
    »Da tun Sie ihm unrecht,« lächelte der Rittmeister. »Herr von Zühbig ist der harmloseste und am wenigsten blutdürstige Mann seines Jahrhunderts, obgleich allwöchentlich zahlreiche Personen unter seiner Leitung teils erstochen werden, teils an gebrochenem Herzen sterben.«
    »Sie sprechen in Rätseln.«
    »Es ist der Generalintendant unseres Hoftheaters.«
    »Und trägt einen wahren Panzer von Orden?« sagte der Amerikaner erstaunt.
    »Mr. Pollard,« lachte der Graf, »Sie sind erst zu kurze Zelt in Deutschland, um sich hier an unsere Sitten und Gebräuche schon hinlänglich gewöhnt zu haben. Aber – erinnern Sie sich wohl, daß Sie mir neulich einmal von Ihren Indianern erzählten, die gewisse Kerbhölzer haben sollen, an denen sie ihre verschiedenen Zeitabschnittesowohl, wie außergewöhnliche Begebenheiten ihres Lebens anzeichnen?«
    »Allerdings.«
    »Nun gut! – unsere Höflinge – das Wort jedoch in der freundlichsten Weise gebraucht – sind ebenso die Kerbhölzer der Fürsten, an denen sie dieselben für alle Geburtsanzeigen befreundeter Höfe, für Besuche auswärtiger Potentaten, überhaupt für festliche und außergewöhnliche Gelegenheiten – ein Zeichen machen. Für ein so zierliches Kerbholz gehört aber auch, wie Sie mir zugestehen werden, ein zierlicher Schmuck, und – voilà .«
    Oberst Pollard lächelte still vor sich hin, als plötzlich eine allgemeine Bewegung in den Salons entstand. Die Herrschaften zogen sich zurück, und die Gruppen der

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