Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
nicht aus einer Kaffeegesellschaft.«
    »Daß die sogenannten Herren der Schöpfung...?«
    »Da nicht sehen wollen, wo sie selber blind sind,« sagte die junge Dame mit sehr scharfer Betonung des Selber.
    »Und sind sie da nicht vollkommen entschuldigt?« lächelte der Graf. »Der Kriegsminister wird alles daran wenden, um den Russen hier zu fesseln,« fuhr die junge Dame fort.
    »Glauben Sie?«
    »Was die Augen sehen, glaubt das Herz.«
    »Und wenn wir den Satz umdrehen?«
    »Sie sind unausstehlich heute, Graf!« rief die Dame, »für meine freundliche Warnung hätte ich andern Dank verdient.«
    »Für Ihre Warnung, mein gnädiges Fräulein?« sagte Graf Geyerstein erstaunt.
    »Tun Sie nur nicht so unschuldig,« rief die junge Dame, »und trauen Sie der Residenz nicht zu, daß sie blind ist, wenn Sie blind sein wollen. Sie kennen doch die Fabel vom Strauß?«
    »Mit dem Kieselsteine-Verschlucken?«
    Fräulein von Zahbern wollte etwas darauf erwidern, aber sie biß sich auf die Lippen. »Wem nicht zu raten ist, lieber Graf,« sagte sie endlich, indem sie sich gegen ihn verneigte, »dem ist auch nicht zu helfen – ich sehe, da ist mein Wagen – au revoir !«
    »Mein gnädiges Fräulein...«
    »Apropos – werden Sie heut' abend den Zirkus besuchen?«
    »Es ist Meßsonntag.«
    »Leider Gottes, und ich ginge so gern! Madame Bertrand soll eine reizende Frau sein. Graf, Graf, nehmen Sie sich in acht!«Fräulein von Zahbern drohte ihm dabei, als er ihr gerade den Arm bot, um sie in den Wagen zu heben, lächelnd mit dem Finger.
    »Wieder eine Warnung, mein gnädiges Fräulein?« fragte der Rittmeister.
    »Ich will weiter nichts gesagt haben,« erwiderte die Dame, und die weitere Unterhaltung wurde durch das Anziehen der Pferde abgebrochen.
    Der Rittmeister schritt langsam seiner eigenen Wohnung zu.

5.
    Am nächsten Morgen war Graf Geyerstein früh aufgestanden und hatte einige Briefe geschrieben. Nach dem Frühstück ging er unruhig in seinem Zimmer auf und ab, und sah wohl hundertmal nach der Uhr, deren Zeiger ihm nie so langsam fortgeschlichen waren, wie gerade heute. Endlich schlug es acht. Sein Bursche Karl trat herein und fragte nach den Briefen, die ihm der Herr Rittmeister befohlen hätte auf die Post zu schaffen.
    »Warte noch einen Augenblick, ich bin noch nicht fertig,« lautete die Antwort. »Hat noch niemand nach mir gefragt?«
    »Noch nicht, Herr Rittmeister.«
    »Ich werde dich rufen, wenn ich dich brauche.«
    Der Bursche schloß die Tür wieder, und der Rittmeister setzte mit untergeschlagenen Armen seinen unruhigen Spaziergang fort. Es schlug halb neun, da klingelte draußen die Vorsaaltür, und der Rittmeister zuckte zusammen. Er blieb stehen und horchte; draußen wurden Stimmen laut, und gleich darauf trat Karl ein und überreichte ihm eine Karte, die den einfachen, außerordentlich sein darauf gestochenen Namen trug »George Bertrand«.
    »Es ist gut,« sagte der Rittmeister, »laß – laß den Herrn eintreten – aber warte. Hier, nimm das gleich mit fort: diese beiden Briefe auf die Post – diese Bücher hier kommen zum Buchbinder, und hier die Koppel trägst du zum Sattler und läßt dir eine andere Schnalle für die gebrochene ansetzen. Du magst gleich darauf warten.«
    »Zu Befehl, Herr Rittmeister.«
    »Also bitte den Fremden, einzutreten, und halte dich nicht länger auf als nötig ist.«Der Bursche verschwand wieder, gleich darauf aber öffnete sich aufs neue die Tür und schloß sich hinter dem eingetretenen Fremden, der mit leiser, aber fester Stimme und leichter Verneigung sagte: »Sie haben gewünscht, mich zu sprechen, Herr Graf.«
    Graf Geyerstein stand der hohen, männlichen Gestalt des Kunstreiters Bertrand gegenüber, aber er antwortete keine Silbe. Totenbleich sah er dabei aus; jeder Tropfen Blut hatte seine Wangen verlassen, und nur seine Blicke hafteten fest, ja stier auf den Zügen Bertrands.
    »Sie haben gewünscht, mich zu sprechen, Herr Graf,« wiederholte der Kunstreiter endlich – aber noch leiser als vorher.
    Da streckte der Graf die Arme nach ihm aus.
    »Georg,« sagte er mit vor innerer Bewegung fast erstickter Stimme – »Bruder Georg!«
    Monsieur Bertrand rührte sich nicht. Er hatte die Zähne aufeinander gebissen und sah fest und ernst in die Züge des Grafen, aber es war nur ein Moment, im nächsten warf er sich an seine Brust, und die beiden Männer hielten sich stumm und schweigend Herz an Herz in eiserner Umarmung fest umschlossen.
    »Ich hatte keine Ahnung,

Weitere Kostenlose Bücher