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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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die des Wegs kam, sah sich der Menschenmasse plötzlich gegenüber, und da der Kutscher vielleicht auch fürchten mochte, daß seine lebhaften Pferde vor dem Kamel sich scheuen könnten, so bog er rasch nach rechts in die, wenn auch schmale, doch kurze Rosenstraße ein, um dadurch dem lärmenden Volk aus dem Wege zu kommen.
    Der Graf von Geyerstein hörte wohl das Rasseln der Räder, dasjauchzende Toben der sich heranwälzenden Schar, aber er sah nicht, was um ihn vorging. Den Hut fest in die Augen gedrückt, die Blicke am Boden, schritt er aus dem Hause, und wollte eben links nach dem Platze zu einbiegen, als eine lachende Mädchenstimme seinen Namen rief. Fast unwillkürlich schaute er empor und sah sich der Equipage des Kriegsministers von Ralphen gegenüber, der, mit seiner Tochter Melanie im Fond, mit Rosalie und ihrer Gouvernante auf dem Rücksitz, von einem Besuch oder einer Spazierfahrt nach Hause zurückkehrte. Rosalie nickte ihm freundlich zu, und während ihn auch die Exzellenz grüßte, bemerkte er nicht, wie Melanie den erstaunten Blick auf ihm haften und dann nach dem Hause hinaufschweifen ließ. Da erkannte sie oben am Fenster die Gestalt Georginens, und als sie mit kalter Verbeugung seinen überraschten Gruß erwiderte, war der Wagen im nächsten Augenblick die Straße hinab verschwunden. Der Rittmeister aber, ohne ihnen auch nur nachzuschauen, fand sich gleich darauf in dem das Kamel umtobenden, lachenden, kreischenden Schwarme von Menschen, durch den hindrängend er seinen Weg heimwärts suchte.
    Seinen Burschen Karl fand er dort übrigens schon in Verzweiflung seiner harrend, denn eine Ordonnanz hatte einen Befehl des Fürsten gebracht, der ihn eine Stunde vor Tafel ins Schloß berief, und bis er Toilette machen konnte, war die Zeit verstrichen. Karl schüttelte auch, während er seinem Herrn dabei half, sehr bedenklich mit dem Kopfe, denn der Rittmeister sprach, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, kein Wort. Nur als er fertig war, begehrte er einen Wagen und fuhr ins Schloß. Dienstsachen hielten ihn dort bis zur Stunde des Diners beschäftigt, und das Diner selber verlief dann, wie alle derartigen steifen Festtafeln gewöhnlich verlaufen.
    Es waren ungefähr fünfzig Personen geladen worden, und die Säle schwärmten dazu im wahren Sinne des Wortes von geschäftigen und müßigen Lakaien in höchster Gala und in höchster Eile, die herüber und hinüber stürzten, das zu besorgen und auszuführen, wozu beim dritten Teil von ihnen die Hälfte überflüssig gewesen wäre. Der Haushofmeister prüfte noch mit scharfer Brille die Etiketten und Siegel der verschiedenen Flaschen, und befahl, welche Sorten in Eis zu bleiben hatten, welche nicht, und der an die Suppe stationierte Beamte warf schon verzweiflungsvolle Blicke nach den beiden an die Flügeltüren postierten Lakaien hinüber, denn seit einer vollen Viertelstunde war Seiner Königlichen Hoheit angezeigt, daß die Tafel serviert wäre, und trotzdem kamen die Herrschaften nicht. Noch einmalzu erinnern, ging auch nicht an – aber der Magen des gnädigsten Herrn half ihnen endlich aus der Not. Er gab das Zeichen, die Flügeltüren schossen auseinander, und der ganze Zug der Herrschaften und Gäste bewegte sich unter der geheimnisvollen Leitung des Hofmarschalls in den Saal. Im Nu war jedem hier sein Platz bezeichnet – nicht nach geselliger Wahl, sondern nach strengem Standesunterschied und Rang, und wie die Zähne eines trefflich ineinander greifenden Räderwerkes schoben sich jetzt die Teller, von weißen Handschuhen lautlos dirigiert, zwischen die Sitzenden. – Und Gänge und Weine wechselten wie das Gespräch, das jetzt lebendiger werdend, hin und wieder flog und dem nur einzelne, mit Liebe den Getränken zusprechende alte Herren hartnäckig wiederstanden.
    Und wie süß die Damen lächelten, und wie rücksichtsvoll die Herren sprachen, und wie heimlich, aber deshalb nicht weniger gut gemeint, der Haushofmeister einem oder dem andern der unaufmerksam gewesenen Lakaien einen Knuff versetzte und ihn blitzschnell bald da- bald dorthinüber sandte!
    Da klirrte ein Teller auf den getäfelten, spiegelglatten Boden nieder und zerbrach in tausend Scherben – der Haushofmeister wurde totenbleich. Der arme Sünder, der das Verbrechen verübt, stand wie vernichtet – aber keiner der Herrschaften oder Gäste wandte den Kopf. Nur ein paar nervenschwache Damen zuckten zusammen – sonst hatte niemand es gehört, und die übrigen Lakaien, hier und da

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