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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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dich hier in ***schen Diensten zu finden,« flüsterte endlich Georg, als er sich langsam, die Augen von Tränen gefüllt, wieder emporrichtete.
    »Ich erkannte dich auf den ersten Blick, wie ich dich die Straße niederreiten sah,« erwiderte der Rittmeister, »aber, Georg, um Gottes, um unserer Eltern willen, welchen Lebensweg hast du gewählt? Was konnte dich in diese Bahn schleudern?.
    »Wir sind allein?« sagte Georg, während er einen Blick nach der Tür warf.
    »Vollkommen und ungestört. Mein Bursche ist fort; außerdem weiß er, daß er nicht horchen darf. Setze dich zu mir hierher.«
    Georg zögerte einen Augenblick, dann legte er seinen Hut ab und ließ sich still neben dem Bruder nieder, der seine Hand ergriff und bittend sagte: »Jetzt sprich, Georg – gestehe mir alles – alles, was geschehen ist, schütte dein ganzes Herz in meine Brust aus, und laß mich dann Mittel und Wege finden, dir zu helfen – dich zu retten.«
    »Mich zu retten?« lächelte aber Georg bitter vor sich hin, »das ist vorbei – zu spät, und ich glaubte auch die Vergangenheit schon fest und sicher abgebrochen, glaubte, mit der Welt und meinemfrüheren Namen abgeschlossen zu haben, als deine Karte gestern all diese Hoffnungen und Pläne mit einem Schlage über den Haufen warf.«
    »Und so lange bist du schon nach Deutschland zurückgekehrt, ohne selbst mir ein Lebenszeichen zu geben!« sagte Wolf vorwurfsvoll.
    »Ich wagte es nicht,« flüsterte Georg, finster das Antlitz zur Seite wendend. »Ich vermied sogar, die heimischen Grenzen zu betreten, denn ich fürchtete, erkannt zu werden, fürchtete mich selber zu verraten, und – mochte den Spott derer nicht ertragen, die ich früher – als meinesgleichen wußte.«
    »Georg,« sagte der Bruder tief bewegt, »nicht um dir Vorwürfe über Vergangenes zu machen hab' ich dich aufgesucht, hab' ich dich gebeten, zu mir zu kommen. Deine eigenen Worte jetzt gestehen mir alles, was ich dir darüber zum Herzen reden könnte; denn du, der sich seinen Lebensberuf darin gewählt hat, dem Tod in seiner häßlichsten Form zu trotzen, schämst dich jetzt, denen unter die Augen zu treten, die früher deinesgleichen waren und aus deren Kreisen du fort – hinab gestiegen bist. Daß du das aber fühlst, bürgt mir auch für die Erfüllung meiner Hoffnung, dich diesem Leben wieder zu entreißen.«
    »Es ist zu spät,« sagte düster der Kunstreiter, »ich – kann nicht mehr zurück.«
    »Der Mensch kann alles, was er ernstlich will, und deine Seele hast du nicht verpfändet,« entgegnete ernst der Graf, »ja, wenn du es deinethalben selbst nicht tun wolltest, müßtest du es meinethalben – müßtest du es der Mutter wegen tun.«
    Georg barg das Antlitz in den Händen, und Wolf, seine Hand freundlich auf des Bruders Schulter legend, fuhr leise fort: »Sieh, Georg, so gut wie ich dich, selbst unter dem dichten Barte und dem Flittertande erkannt, mit dem du dich umgeben, so gut kann einer deiner früheren Kameraden dich ebenfalls erkennen, und daß es bis jetzt noch nicht geschehen, begreife ich sogar nicht einmal. Das Tagesgespräch beschäftigt sich sogar fast ausschließlich mit dir und – deiner Frau, und wunderliche Gerüchte über euch durchlaufen schon die Stadt, wenn sie die rechte Fährte auch noch nicht gefunden haben.«
    »Und gerade diese tollen Gerüchte sichern mir vielleicht meine Verborgenheit.«»Vielleicht – aber auf wie lange? Und glaubst du nicht, daß du das Herz der Mutter brechen würdest, wenn ihr die furchtbare Wahrheit je zu Ohren käme? Sie hat dich als einen Toten beweint; o, laß sie nicht den Lebenden noch mehr beklagen als den Toten!«
    Georg war aufgesprungen, und mit unruhigen Schritten maß er das Zimmer auf und ab, bis er endlich wieder neben dem ihm mit mitleidigen Blicken folgenden Bruder Platz nahm und sagte: »Du weißt, Wolf, wie mein ungezügeltes Leben in früheren Jahren langsam, aber sicher das Netz über mich zusammenzog, in dem ich endlich unterging – dem ich erlag. Dem Trunk gab ich mich hin, und in dem Trunk dem Spiel, und mit dem Spiel verlor ich alles, was ich mein nannte – verlor mich selbst. Ich mußte flüchten, mein ganzes mir zukommendes Vermögen reichte nicht hin, die hinterlassenen Schulden zu decken – unterbrich mich nicht – ich weiß, daß du, Wolf, über deine Kräfte beigesprungen bist, wenigstens die Ehre unseres Namens zu retten, wenn du mich auch nicht mehr retten konntest. Da, als ich das hörte, erfaßte mich die

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