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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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»ich werde Sie auch nicht lange plagen, ich habe mich aber so darauf gefreut,« und mit leichten Schritten huschte sie durch den Salon, dem nächsten Ausgange zu, um die Blätter selber schnell herbeizuholen.
    Die Exzellenz hörte diese kleine Unterredung nicht, denn ihr Blick haftete noch, und zwar lange nicht mit der Freundlichkeit, mit der sievorher den Rittmeister angeredet, auf der jungen Dame, die schon bei ihren ersten mahnenden Worten tief errötend zusammengefahren war und sich rasch abgewandt hatte, ihre für den Augenblick versäumte Pflicht zu erfüllen.
    Luise von Mechern, aus einem altadligen Geschlecht stammend, war durch die Empfehlung des ***schen Gesandten nach *** und in das Ralphensche Haus gekommen, wo sie die Stelle einer Gouvernante bei Rosalien und ihrer jüngsten, erst siebenjährigen Schwester ausfüllte und zugleich mit musterhafter Ordnung die Wirtschaft der nichts weniger als wirtschaftlichen Exzellenz führte. Luise von Mechern war ein liebes, bescheidenes und dabei höchst geistreiches, gebildetes Wesen, das jede Stellung im Leben vollkommen ausgefüllt haben würde. Aber ihr Körper hatte mit ihrem Geiste nicht Schritt gehalten, und einer Unvorsichtigkeit der Wärterin in frühesten Jugendjahren verdankte sie ein Übel, das sie jetzt durch das ganze Leben tragen mußte. Ihr Gesicht war bildschön, ein wahrhaft griechisches Profil mit großen, sprechenden braunen Augen, dunklem vollen Haar und seinen, edlen Zügen, aber – ihre rechte Schulter war verwachsen und dadurch dem übrigen Körper nicht die nötige freie Entwicklung geworden. Wie bald vergaß man aber, sobald man näher mit ihr bekannt wurde, diesen körperlichen Fehler in all den geistigen Vorzügen, die ihr eigen waren, und welchen wohltätigen Einfluß übte sie dabei auf die Erziehung der ihr anvertrauten Kinder, ja durch ihren Umgang selbst auf Melanie aus! Die Töchter des Kriegsministers hingen auch mit treuer Liebe an dem jungen Mädchen, und Melanie besonders fühlte, welch ein wohltätiger Geist der Ordnung in ihr ganzes Haus gekommen sei, seit Luise von Mechern mit ihrem stillen, einfachen Wesen die Leitung desselben übernommen hatte. Nur Frau von Ralphen schien das nicht zu bemerken oder wenn sie es bemerkte, dies für der Ordnung gemäß zu halten. Daß die angenommene Gouvernante und Wirtschafterin ihre Pflicht tat, verstand sich von selbst; eine weitere Anerkennung blieb deshalb überflüssig. Frau von Ralphen war nicht etwa eine böse oder übermäßig strenge Frau – ihren Kindern gegenüber hätte sie sogar noch bedeutend strenger sein dürfen. Aber sie fühlte, daß sie in der Residenz eine sehr bedeutende Rolle spiele; sie wußte und war überzeugt, daß sie zu den »ersten Damen« des Landes gehöre, und dadurch stolz, rücksichtslos stolz gegen alle geworden, die unter ihr standen. Das gerade gab denn auch oft ihrem Betragen und ganzen Wesen eineHärte und Schroffheit, die unter anderen Umständen ihrem sonst wirklich weichen und guten Herzen ferngeblieben wären.
    Luise ertrug das aber mit einer wahren Engelsgeduld. Still und freundlich, mit der ihr eigentümlichen sanften und immer guten Laune, vermied sie jede Klippe, die zwischen ihr und der Exzellenz hätte zu einem Wortwechsel führen können, fügte sich ihren kleinen Eigenheiten, ohne sich selber je das geringste dabei zu vergeben, und erwiderte zugleich von ganzer Seele die Liebe, die ihr die Kinder entgegenbrachten. Nur in Gesellschaft, selbst bei einem einzelnen Besuche, fühlte sie sich gedrückt. Sie wußte, wie sehr sie mit ihrem Körper, dem raschen, oberflächlichen Urteil der Welt gegenüber, im Nachteil war, und suchte es soviel als möglich zu vermeiden, dem zu begegnen. Darin unterstützte indessen die Exzellenz sie nicht; denn ob sie nun Luisen wirklich nicht entbehren konnte oder gar heimlich fühlte, daß durch die Gegenwart der unscheinbaren Gouvernante die Erscheinung ihrer eigenen Töchter gehoben würde – wer vermag im Innern eines menschlichen Herzens zu lesen? – aber Luise mußte stets und in jeder Gesellschaft erscheinen, und nur die dringendste Abhaltung oder wirkliches Unwohlsein konnte sie entschuldigen. Von den gewöhnlichen Gästen wurde sie aber selten oder nie beachtet. Die Damen besonders nahmen nie Notiz von ihr – es war ja nur die Gouvernante, wenn auch aus einer edlen, vielleicht edleren Familie, als sie selber, entsprossen. Nur Graf Geyerstein hatte sich gern und viel mit ihr unterhalten, in früheren

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