Der Kunstreiter
in militärischer, das heißt sehr steifer Haltung, »ein Bedienter Seiner Exzellenz des Herrn Kriegsministers von Ralphen wünscht...«
»Wo bist du die Zeit über gewesen?« unterbrach ihn sein Herr.
»Im Stalle unten, zu Befehl, Herr Rittmeister.«
»Laß den Burschen hereinkommen.«Karl machte rechtsum kehrt, und gleich darauf erschien die graue Livree wieder auf der Schwelle.
»Herr Graf,« sagte der Diener mit einer tiefen Verbeugung, »Seine Exzellenz lassen mit besten Empfehlungen morgen abend um acht Uhr um die Ehre bitten.«
Der Rittmeister antwortete ihm nicht; er sah den Burschen, dessen Erröten ihm nicht entgehen konnte, forschend an und dann schweigend vor sich nieder. Endlich sagte er kalt: »Es ist gut – meine Empfehlung an Seine Exzellenz; ich werde zur bestimmten Zeit erscheinen.«
»Wer war denn der junge Herr, der vorhin bei deinem Herrn Besuch gemacht hat?« sagte der mit der grauen Livree, als er neben Karl über den Vorsaal der Treppe zuschritt.
»Weiß ich nicht,« antwortete, ziemlich kurz angebunden, Karl, »geht mich auch nichts an.«
»Der kommt wohl oft hierher?« fragte der Graue, dadurch nicht im mindesten eingeschüchtert.
»Das weiß ich auch nicht und geht dich wieder nichts an,« meinte aber Karl, »guten Morgen!« und öffnete dem Grauen die Tür.
»Grobian!« murmelte dieser, als er langsam die Treppe hinunterstieg, um die übrigen Einladungen auszuführen.
7.
Die Salons Seiner Exzellenz des Kriegsministers von Ralphen waren festlich erleuchtet, und eine kleine, aber ausgewählte Gesellschaft wurde erwartet. Es war drei Viertel auf Acht, und die Wirtin revidierte, schon in voller Toilette, noch einmal selber die befohlenen Anordnungen, während geschäftige Diener hin und wieder flogen, neu bestimmte auszuführen. Auf den beiden Spieltischen hatte man noch die Whistmarken vergessen, und der eine Bediente war hinauf zu seiner Exzellenz gesandt worden, sie von dessen Kammerdiener herbeizuschaffen. Aber er hielt sich länger unterwegs auf, als nötig gewesen wäre, denn er traf auf der Treppe Annette, Komtesse Melanies Zofe – allerdings in eben solcher Eile wie er selber.
»Lassen Sie mich los, Herr Franz,« sagte das junge Mädchen, indem sie einen, wenn auch schwachen, Versuch machte, die Hand des galanten Lakaien von ihrer Taille zu entfernen, »das gnädige Fräulein wartet auf mich, und wenn ich so lange ausbleibe...«»Nur einen einzigen Kuß, teuerste Annette!« bat Herr Franz in jugendlicher Kühnheit und, vom Augenblick außerdem gedrängt, gleich zur Sache kommend.
»Sie sind nicht gescheit!« sagte Annette erzürnt, »und hier auf der Treppe!«
»Nur einen einzigen!«
»Lassen Sie mich los – ich will nicht – wahrhaftig, ich schreie!«
»Und wenn ich nun eine höchst merkwürdige und interessante Neuigkeit für Sie hätte?« sagte Herr Franz, in dem Gefühl, daß ein Dienst des andern wert sei, ohne jedoch ihrer Drohung nachzugeben.
»Ja – Ihre Neuigkeiten kenn' ich!« rief die Schöne, »sie hat wahrscheinlich schon in der Zeitung gestanden – lassen Sie mich los!«
»Selbst erlebt– gestern morgen – bei Graf Geyerstein,« beharrte Herr Franz. »Wenn sie nicht zehn Küsse wert ist, sollen Sie mich nie wieder ansehen.«
»Und die wäre?« fragte, neugierig gemacht, die Kammerzofe, »hat er seinen Karl fortgeschickt? Mein Himmel, da klingelt die Komtesse schon – lassen Sie mich los!«
»Erst den Kuß.«
»Sie sind ein unverschämter Mensch – und Ihre Neuigkeit – so lassen Sie mich doch nur los!«
»Und bekomme ich dann den Kuß – einen jetzt und einen andern später...«
»Gleich zwei? – ich schreie wahrhaftig – ich kann nicht länger warten!«
»Schön – Graf von Geyerstein hat gestern morgen verkleideten Damenbesuch gehabt – ist das zwei Küsse wert?«
»Nicht einen halben, wenn ich nicht weiß, wen.«
»Madame Bertrand.«
»Die Kunstreiterin?« rief Annette schnell, »es ist nicht wahr.«
»Auf meine Ehre – in Männerkleidung. – Oben im Zimmer hatte sie ihr glattes Gesicht, und als sie unten aus dem Hause trat, einen Schnurrbart. Sie kam mir gleich bekannt vor, aber ich konnte mich doch nicht recht besinnen, wo ich das hübsche Gesicht schon gesehen hatte, merkte mir aber die Nummer der Droschke, in die sie stieg, und als ich heute nachmittag dieselbe Droschke wiederfand, nannte mir der Kutscher auf meine Frage ohne weiteres das Haus, wohin er den jungen Herrn gefahren.«
»Und das war?«»Die Rose, wo die
Weitere Kostenlose Bücher