Der Kunstreiter
schwärmen.«
»Die ganze Stadt weiß oft mehr von uns, als wir selber wissen,« sagte der Graf trocken.
»Mehr wenigstens, als uns oft lieb ist,« ergänzte das gnädige Fräulein mit einem bezeichnenden Blick auf den Rittmeister selber, der jedoch an diesem machtlos abglitt. »Sie aber, Herr Graf,« setzte sie dann, als sie es bemerkte, hinzu, »sind mir ein vollkommenes Rätsel und entweder der – durchtriebenste oder der unschuldigste Mann, dem ich in meinem ganzen Leben begegnet bin.«
»Lassen Sie uns das letztere hoffen, mein gnädiges Fräulein,« sagte der Rittmeister, dem das Gespräch unangenehm zu werden anfing. »Wir sollen von unseren Mitmenschen immer nur das Beste denken.«
»Also muß ich denken, daß Sie jede Bewerbung um Melanie aufgegeben haben?« sagte Fräulein von Zahbern mit kaum verheimlichtem Ärger.
»Mein gnädiges Fräulein,« erwiderte der Rittmeister, durch die unzarte Frage verletzt, »meine Ansichten und Wünsche können hier nicht gut in solcher Weise von uns beiden verhandelt werden. Komtesse Melanie ist jedenfalls ihre eigene Gebieterin, und vollständig fähig und berechtigt, solche Bewerbungen, die ihr nicht anstehen, zurückzuweisen. Bewirbt sich Graf Selikoff wirklich um sie, so wirdsie auch entscheiden, ob sie das günstig oder ungünstig aufzunehmen hat. Ein drittes dabei wäre, meiner Mitteilung nach – überflüssig.«
»Und wenn der Graf ältere Verpflichtungen hätte?« sagte die Dame gereizt.
»Graf Selikoff ist, soweit ich bis jetzt über ihn urteilen kann,« erwiderte kalt der Rittmeister, »ein Ehrenmann und deshalb einer unedlen Tat unfähig. Wie dem aber auch sei, meine Gnädige, die älteren Ansprüche würden in dem Falle weiter nichts zu tun haben, als – sich geltend zu machen.« Fast unwillkürlich hatte er sich bei diesen Worten dem Eingange des Kabinetts zugewandt, an dem gerade zwei alte Geheimräte eine fast leidenschaftliche Debatte über Schnupftabak führten. Andere Gruppen auf und ab wandelnder Gäste waren ebenfalls in die Nähe gekommen, und Graf Geyerstein glaubte zu hören, daß sein eigener Name genannt würde. Er drehte sich danach um und sah unfern von sich den alten General von Schoben mit seiner Tochter Euphrosyne und Melanie, die mit dem Grafen Selikoff in ein eifriges Gespräch verwickelt schienen.
»Ich kann Ihnen nicht helfen, Komtesse,« lachte der alte General, aber die Sache ist so, wie ich sage: Monsieur Bertrand gibt seine Truppe auf oder verkauft wenigstens seine Pferde, denn ich weiß aus ganz sicherer Quelle, daß er den Falben mit dem weißen Hinterfuß und den Fuchs mit der schwarzen Mähne, die beiden Prachtpferde, dem General Beuter zum Verkauf angeboten hat.«
»Und ich berufe mich nochmals auf Graf Geyerstein,« erwiderte Melanie, jetzt kaum zwei Schritt von dem Rittmeister entfernt. »Der Graf ist sehr genau mit der Truppe bekannt und hätte uns doch, wenn sich die Sache wirklich so verhielte, gewiß schon ein Wort davon gesagt, da er weiß, wie großen Anteil wir daran nehmen.«
»Es tut mir leid, Komtesse, in diesem Streite nicht auf Ihrer Seite kämpfen zu können,« fiel hier Graf Selikoff mit etwas gebrochenem Deutsch ein, »aber der General hat recht, den Falben wie den einen weißen arabischen Hengst habe ich sogar selber gekauft, um beide nach Petersburg zu schicken.«
Melanie schien im Anfang die Worte gar nicht zu hören, denn ihr Blick hing fest und forschend an den Zügen des Rittmeisters; aber diesen Moment des Selbstvergessens bezwang sie rasch und zu dem Russen gewandt, sagte sie: »In der Tat? – das hätte ich nicht geglaubt. – Was mag den Mann dazu bewogen haben? Herr Rittmeister, wissen Sie vielleicht etwas Näheres über diesen überraschendenVerkauf? Will sich vielleicht Monsieur Bertrand ganz dem Seiltanz widmen?«
»Ich bedauere unendlich, Komtesse,« erwiderte ruhig Graf Geyerstein, »Ihnen nichts Näheres darüber mitteilen zu können. Es ist sogar dies das erste Wort, das ich von dem Verkauf höre, ich muß also doch nicht so genau davon unterrichtet sein.«
Komtesse Melanie schwieg, und eine fliegende Röte färbte ihr für einen Augenblick Wangen und Nacken, um gleich darauf wieder, so rasch wie sie gekommen, zu verschwinden. Fräulein von Zahbern aber, mit dem Interesse, das sie an jeder Stadtneuigkeit nahm, rief erstaunt: »Ist es denn möglich, Monsieur Bertrand will sein Geschäft aufgeben? Aber das kann ja gar nicht sein, ober er hat sich genug verdient, um den Kunstreiter
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