Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
Die Jahre sind auch drüber hingegangen und wie der Hügel auf dem Grabe des längst Entschlafenen eingesunken sein wird, sind meine Wangen eingefallen, ist mein Haar gebleicht, und ich dachte kaum, daß ich noch einmal so lebhaft wieder an ihn denken würde, bis – bis Sie neulich, gnädiger Herr, mit unserem gnädigen Grafen in den Hof einritten.«
    »Ich?« rief Georg und suchte die Bewegung zu verbergen, die seine Stimme zittern machte.
    »Ja,« sagte der Greis, und unwillkürlich suchte sein Blick dabei den des Begleiters, »wie ich Sie beide zusammen und nebeneinander, in all der Kraft männlicher Schönheit, beide einander so ähnlich und doch auch wieder so verschieden, auf einmal vor mir sah, war es plötzlich, als ob eine Stimme in meinem Innern spräche: da sind sie – die Zeit ist wiedergekommen, die du so heiß ersehnt; er ist nicht tot, der kleine Georg, sondern zurückgekehrt, wie er es mir als Kind, seine kleine Hand in der meinen, fest versprochen. – Ich hatte mich doch geirrt; und nur, daß Sie Georg heißen, ist ein merkwürdiger Zufall. Fünfundzwanzig Jahre sind freilich eine lange Zeit; aber, lieber Gott! mein altes Herz hat sich doch geirrt, denn was man eben wünscht, erhofft man ja auch gern.«
    »Und Ihr habt den Knaben also noch nicht vergessen, Barthold?«
    »Ich – das Kind? nein, mein gnädiger Herr. Ich weiß nicht, weshalb – es war nicht mein Kind und ging mich auch weiter nichts an, als daß es eben der Herrschaft angehörte und vielleicht einmal später selber mein Herr geworden wäre; denn uns alten Dienstboten geht es wie dem Inventar auf den Gütern, zu dem wir auch mitgehören – wir wechseln die Besitzer. Aber ich glaube, der kleine Bursch' hatte es mir damals mit seinen klugen, treuen Augen angetan– vielleicht mit einer Kleinigkeit, die aber bei uns Menschen oft wunderbaren Einfluß ausübt.«
    »Und die war?«
    »Ich hatte die Kinder gebeten, mich – ich weiß eigentlich selber nicht weshalb, bei meinem Vornamen Franz zu nennen, der Älteste aber, unser gnädiger Herr Graf jetzt, der auch schon ein bißchen besser mit den Leuten umzugehen wußte, konnte oder wollte es nicht merken und nannte mich nicht anders als Barthold oder Forstwart. Der kleine Georg aber – Sie dürfen es mir nicht übel deuten, daß ich ihn noch so nenne, denn für mich ist er der kleine Georg geblieben, alle Zeit – tat mir den Willen und nannte mich Franz, und einmal, wie er Abschied von mir nahm, hat er mich sogar geküßt, und von der Zeit an, wo ich die Kinder in die große Kutsche steigen und mir noch einmal mit den Tüchern winken sah, war es mir, als ob alles, was ich noch auf der Welt mein nenne, mit dem Kinde auf Nimmerwiedersehen geschieden sei. Aber, lieber Gott! Ich schwatze und schwatze da von Dingen, die Euer Gnaden unmöglich interessieren können. Halten Sie es einem alten Manne zugute, dem es überdies selten genug gestattet ist, sein Herz einmal einem Nebenmenschen auszuschütten. Ich fühle, daß ich Sie gelangweilt habe.«
    »Das habt Ihr nicht, Barthold,« sagte Georg, der gewaltsam die in ihm aufsteigende Rührung niederkämpfen mußte, um sich nicht zu verraten. »Ihr habt mir überdies vorher gesagt, daß Ihr Euer Herz nur Euren Freunden gegenüber öffnen möchtet, zählt mich dazu von jetzt an, ich meine es gut mit Euch. Nehmt meine Hand, sie ist Euch gern geboten, wenn ich auch – Euer kleiner Georg nicht bin, für den Ihr mich gehalten.«
    »Gnädiger Herr,« sagte der alte Forstwart verlegen, indem er schüchtern seine Hand in die ihm dargebotene Rechte seines Begleiters legte – »Sie sind so gütig ...«
    »Wohin führt dieser Weg?« unterbrach ihn jetzt Georg, der das Gespräch abzubrechen wünschte, denn er vermochte nicht länger dem Alten gegenüber kalt und gleichgültig zu scheinen.
    »Mitten in den Wald,« lautete die Antwort, »ich muß tausendmal um Verzeihung bitten, wenn ich Sie einen falschen geführt habe. Wir sind hier gleich an der Grenze, und ich wollte eigentlich nur nach einem Fuchsbau sehen; ich habe gar nicht daran gedacht, daß Sie ...«
    »Es schadet nichts; ich habe nur einen Spazierritt gemacht, und jede Richtung bleibt sich da gleich. Aber ich will jetzt umkehren. Adieu,Barthold, sorgt nur hübsch für Eure kleinen gefiederten Freunde, die Singvögel, denn ich habe sie ebenfalls gern, und – wenn Ihr einmal etwas habt, das Euch auf dem Herzen liegt und das andere Hilfe verlangt, als sie Euch gewähren können, dann kommt ungescheut

Weitere Kostenlose Bücher