Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
ich es zu schätzen, wenn wir die Nettigkeiten übersprängen und zum Kern der Sache kämen.«
Palmerston schlug wiederholt mit der rechten Hand auf die Tischplatte, warf den Kopf in den Nacken und stieß ein schnelles, sägendes Geräusch aus, von dem Burton – trotz seiner herausragenden Übersetzerfähigkeiten – nur annehmen konnte, dass es sich um ein Lachen handelte. Das rhythmische Krächzen hielt an, wobei die spontane Reaktion schnell in Affektiertheit umschlug und das Geräusch sich in ein seltsames Zischen verwandelte, was für einen bizarren Moment den Eindruck erweckte, als hätte der Premierminister irgendwo ein Loch im Körper und verlöre mit rasanter Geschwindigkeit Luft.
Dann erkannte Burton, dass das immer lauter werdende Zischen nicht von dem Mann ihm gegenüber kam, sondern von dem merkwürdigen Gerät auf dem Schreibtisch. Er wandte sich dem Ding zu und sah gerade noch, wie es plötzlich begann, wild zu vibrieren. Der Zeiger eines Gradmessers an der Seite schob sich in den rot markierten Abschnitt, und mit einem Geräusch, als zöge man einen großen Stöpsel aus einem Gefäß, erbebte die Vorrichtung ein letztes Mal und stand dann still und leise da. Eine schmale Rauchfahne stieg auf. Der Zeiger sank zurück nach links.
Palmerston schloss den Mund, betrachtete das Gerät, grunzte, streckte die Hand aus und betätigte einen Schalter. Eine kleine Tür schwang auf, und ein Behälter fiel in die Hand des Premierministers. Er drehte den Deckel ab und zog einen blassblauen Streifen Papier aus dem Innern hervor. Er las die Notiz und nickte, dann sah er Burton an und verkündete: »Sie sind genehmigt!«
»Wie schön«, sagte Burton. »Von wem? Wofür?«
»Na, vom Buckingham Palace! Unser Monarch will Sie in Seine Dienste nehmen!«
Ausnahmsweise verschlug es Burton die Sprache. Ihm blieb der Mund offen stehen.
Um die Lippenpartie dehnte sich Palmerstons Gesicht zu beiden Seiten aus, wahrscheinlich der Versuch eines Lächelns. Es war kein schöner Anblick.
»Aus diesem Grund habe ich Sie hergerufen, Burton. Das Königshaus interessiert sich für Sie. Es wurde darüber debattiert, dass Sie mit Ihren recht umfassend aufgestellten Talenten und Ihrer – sagen wir: bezwingenden – Persönlichkeit, dem Empire einen einzigartigen Dienst erweisen könnten, etwas, wozu sonst kein Mensch in der Lage wäre. Darum wurde diese Position geschaffen, eigens für Sie.«
Burton sagte immer noch nichts. Seine Gedanken rasten, während sie versuchten, mit dieser vollkommen unerwarteten Entwicklung zurechtzukommen – und mit der Vorstellung, dass im Buckingham Palace vielleicht irgendwie irgendjemand dieser Unterhaltung folgte.
»Ich muss zugeben«, fuhr Palmerston fort, »dass Sie mich in ein Dilemma stürzen. Ich wusste, irgendetwas würde ich mit Ihnen anstellen müssen, aber ich hatte keine Ahnung, was. Ihr Talent, sich Feinde zu machen, hat mich beunruhigt; ich nahm an, Sie würden schnell zu einer Bürde werden, ganz gleich, welchen Posten ich Ihnen anvertraue. Einer meiner Kollegen schlug vor, ich sollte Sie in irgendeinem abgelegenen Konsulat begraben, Fernando Po stand ganz oben auf der Liste. Wissen Sie das?«
Ein Nicken. Etwas anderes brachte Burton nicht zustande.
Heirate das Miststück. Lass dich nieder. Werde Konsul in Fernando Po, Brasilien, Damaskus oder wo auch immer sie dich verdammt noch mal hinschicken.
Wie Feuer loderten die Worte in seinem Geist auf.
»Wer weiß davon?«, fragte er plötzlich angespannt.
»Bitte?«
»Wer weiß von dieser Unterredung, der Position, dem Konsulat?«
»Von der Position wissen nur ich und der Palast.« Palmerston tippte an den Apparat aus Glas und Messing. »Wir haben die Sache vertraulich besprochen. Dass Sie hier sind? Der Palast, ich, mein Privatsekretär, die Wachen an der Tür, der Butler, alle Bediensteten, die Sie haben hereinkommen sehen. Und vom Konsulat? Der Palast, ich und Lord Russell, der Sie für die Position vorgeschlagen hat. Warum?«
Burton wusste, wie Lord John Russell, der Außenminister, aussah. Er war ein älterer, glatzköpfiger Mann mit rundem Gesicht, welcher der Erscheinung der letzten Nacht in keinster Weise ähnelte.
»Ich glaube«, sagte Burton langsam, »es besteht der dringende Verdacht, dass entweder die Regierung oder das Königshaus einen Spion in den eigenen Reihen hat.«
Palmerston saß plötzlich ganz still. Sein Adamsapfel hüpfte aufgeregt auf und ab.
»Erklären Sie«, sagte er leise.
Schnell und ohne
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