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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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Seite, dann griff er mit einem schnellen Seitenblick auf Burton in eine Schublade und holte einen Kneifer heraus, den er sich etwas ungelenk auf die Nase klemmte. Die Linsen waren aus getöntem blauen Glas.
    Er räusperte sich.
    »Warum haben Sie das auf sich genommen?«
    »Die Pilgerreise? Ich war neugierig. Gelangweilt. Ruhelos. Ich wollte mir einen Namen machen.«
    »Das haben Sie mit Sicherheit erreicht. Sie haben die gesamte Reise als Einheimischer verkleidet unternommen und nur Arabisch gesprochen?«
    »Ja, ich war als Abdullah der Derwisch unterwegs. Ich wollte wie ein Glaubensbruder behandelt werden, nicht wie ein Gast. Ich bin schon lange der Ansicht, dass man als Außenstehender nur einen Bruchteil der Wahrheit verkauft bekommt, und die hübsch aufbereitet, um einen Vorteil daraus zu schlagen. Ich sehnte mich nach Authentizität.«
    »Und Sie haben einen Jungen getötet, um zu verhindern, dass Sie als Nicht-Muslim enttarnt werden?«
    »Dieses Verbrechens werde ich, so scheint es, jeden Tag bezichtigt. Erst gestern Abend stellte man mir diese Frage zum zigsten Mal. Habe ich einen Jungen getötet? Nein, Herr Premierminister, das habe ich nicht. Ich bin des Mordes nicht schuldig, weder an einem Jungen noch an einer Frau noch an einem Mann, noch nicht einmal an einem Hund.«
    »Aber Sie wären dessen fähig?«
    Überrascht lehnte sich Burton in seinem Stuhl zurück. Schon wieder war Mord das Thema, so kurz nach seiner Unterhaltung im Cannibal Club! Ein bemerkenswerter Zufall, und er weckte den misstrauischen Teil seiner Persönlichkeit.
    »Ob ich eines kaltblütigen Mordes fähig bin? Ich denke nicht. Könnte ich in der Hitze des Gefechts oder zur Selbstverteidigung töten? Selbstverständlich. Vielleicht habe ich es in Berbera getan – in derlei Umständen ist es unmöglich zu wissen, was ein jeder Schuss oder Schwerthieb anrichtet.«
    »Und was, wenn Sie eine ranghohe Position innehätten und einen Mann in den wahrscheinlich sicheren Tod schicken müssten?«
    »Dann würde ich mich der Verantwortung stellen.«
    Lord Palmerston nickte, als hätte ihn die Antwort zufriedengestellt. Er griff in seine Westentasche, zog eine Schnupftabakdose heraus und ließ einen kleinen Haufen des feinen Puders auf seine rechte Hand rieseln, dorthin, wo der Daumen begann. Er hob die Hand an die Nase und sog den Tabak mit einem geräuschvollen Luftzug durch das Nasenloch ein.
    Er schnüffelte und blätterte eine weitere Seite um. Burton bemerkte, dass die Fingernägel des Premierministers sorgfältig manikürt und mit farblosem Nagellack angepinselt waren.
    »Das war ’55«, fuhr Palmerston fort, »der Vorfall in Berbera. Lieutenant John Hanning Speke war einer der Männer, der sie begleitete?«
    »Ja.«
    »Zufälligerweise habe ich mich gestern nach ihm erkundigt. Er liegt im Penfold Private Sanatorium. Hat sich das halbe Gesicht weggeschossen, die Ärzte gehen nicht davon aus, dass er überleben wird.«
    Burton nickte, sein Gesichtsausdruck war hart wie Stahl. »Ich weiß.«
    Palmerston sah ihn an.
    »Noch ein Feind?«
    »Offenbar. Sind Sie denn einer?«
    Falls Palmerston die unverschämte Frage entsetzte oder überraschte, so zeigte er es nicht. Allerdings, so rief sich Burton in Erinnerung, war der Mann ja auch nicht in der Lage, überhaupt das Gesicht zu verziehen.
    »Ob ich Ihr Feind bin? Nein, das bin ich nicht.«
    »Das ist schon mal ermutigend. Ja, Herr Premierminister, Lieutenant Speke hat mich in der Tat nach Somalia begleitet. Mein Gesicht wurde von einem Speer durchbohrt, und er erlitt ebenfalls zahllose Wunden. Einer unserer Gefährten, Lieutenant Stroyan, kam ums Leben. Im Jahr darauf habe ich, nach einer kurzen Dienstzeit auf der Krim, eine Expedition nach Zentralafrikaorganisiert, um den Ursprung des Nils zu finden. Speke hat mich begleitet, und danach hat er mich betrogen. Die Presse hat Kapital aus der Situation geschlagen, und man hat arrangiert, dass wir beide aufeinandertreffen. Das hätte gestern geschehen sollen, in den Bath Assembly Rooms. Es kam nicht dazu. So, das war die gesamte Geschichte. Vielleicht können wir jetzt zu dem Grund kommen, aus dem ich hier bin?«
    Palmerstons Mund öffnete sich, und ein freudloses Lachen ertönte, doch seine Lippen lächelten nicht.
    »Heiliges Kanonenrohr!«, rief er. »Sie sind ein ungeduldiger Mensch!«
    »Das streite ich nicht ab. Und um Ihnen gegenüber restlos ehrlich zu sein, Herr Premierminister, habe ich einen Kater und muss dringend pissen, also wüsste

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