Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
langweilig, also ging er zu dem hübschen Ganoven hinüber und baute sich vor ihm auf.
»Hallo, alter Freund! Was haben wir denn heute so vor?«
»Ach, verdammte Hölle, nix hab ich vor, gar nix!«, heulte Dennis. »Bin nur mal meinen Sonntagsanzug am Lüften, das war’s.«
»Es ist Mittwoch, Dennis.«
»Gibt ja wohl kein Gesetz dagegen, Mittwochs mal ’nen Sonntagsanzug zu tragen, oder wie?«
Die nagetierartigen Augen des Gauners schossen nach links und rechts, als suchten sie nach einem Fluchtweg.
Trounce hakte den Polizeiknüppel aus seinem Gürtel und drückte ihn fest auf Dennis Brust.
»Ich hab ein Auge auf dich, Bürschchen. Wenn deine Finger demnächst dahin wandern, wo sie nicht willkommen sind, dann schließen sich meine Finger um deinen Hals, merk dir das. Bald tauschen wir deinen Anzug gegen was Schickes mit Streifen. Gefängnisuniformen haben keine Taschen, wusstest du das?«
»Jau. Aber Sie ham’ gar keinen Grund, mir zu drohen!«
»Ach, nein? Habe ich nicht? Na, dann pass auf, dass es so bleibt, mein Freund. Und jetzt verzieh dich! In dieser Gegend will ich dich nicht mehr sehen!«
Der Taschendieb warf dem jungen Polizisten einen finsteren Blick zu, spuckte auf den Boden und zog von dannen.
Constable Trounce grinste und setzte seine Runde fort.
Am Ende der Prachtstraße ging er am Buckingham Palace vorbei, seit Kurzem Wohnsitz der Königin, und wandte sich nach rechts zum Green Park. Er lief lieber auf dem Gras als auf der Straße selbst, da er sich so hinter der Menschenmenge befand, die sich entlang des Constitution Hill versammelte, um die Königin zu sehen. Seiner Erfahrung nach versteckten sich die Störenfriede gewöhnlich ganz hinten, sodass sie leichter die Beine in die Hand nehmen konnten, wenn es jemanden gab, der etwas an ihren Buhrufen auszusetzen hatte.
Die Kutsche der Königin war, gezogen von vier Pferden – auf dem vorne links ritt ein Postillion –, bereits ein Stück den Weg hinuntergefahren. Vier weitere Reiter begleiteten sie, zwei vor dem Gefährt und zwei ein paar Meter dahinter.
Trounce ging schneller, um aufzuholen, der kleine Hang, den er herunterlief, gab ihm freie Sicht auf die Szenerie.
Trotz des milden Wetters war die Menschenmenge heute klein. Es gab keine Proteste und nur wenige Jubelrufe.
Ein Schuss ließ ihn zusammenfahren.
Was zur Hölle war das?
Er begann zu rennen, ließ den Blick über die Menge vor sich schweifen und entdeckte einen Mann mit Zylinder, blauem Gehrock und weißen Kniehosen, der rechts neben der langsamfahrenden Kutsche herlief. Er ließ eine rauchende Steinschlosspistole fallen und zog mit der linken Hand eine zweite Waffe aus dem Mantel.
Eiskaltes Entsetzen packte Trounce. Plötzlich schienen sich die Ereignisse in Zeitlupe abzuspielen.
Seine Beine streckten sich, seine Schritte auf dem Grasboden klangen dumpf, er hörte sich schreien. »Nein!«
Er sah, wie sich einige Köpfe zu dem Mann umdrehten.
Trounces Blut rauschte in seinen Ohren.
Der linke Arm des Mannes schwang nach oben.
Die Königin stand auf und hob eine Hand an die weiße Spitze um ihren Hals.
Ihr Ehemann streckte den Arm nach ihr aus.
Ein zweiter Mann sprang vor und packte den Schützen.
»Nicht, Edward!«, ertönte ein entfernter Schrei.
Das Bild schien einzufrieren, die beiden Männer ineinander verschlungen, ihre Gesichter selbst aus dieser Entfernung so ähnlich wie die zweier Brüder; jede Person in der Menge mitten in der Bewegung erstarrt, einige beim Schritt voran, andere beim Schritt zurück. Die Königin aufrecht stehend, in cremefarbenem Kleid und Hut. Ihr Begleiter nach vorne gelehnt, mit Zylinder und rotem Jackett. Die Vorreiter, die ihre Pferde wendeten.
»Bei Gott«, dachte Trounce. »Bei Gott! Bitte nicht!«
Plötzlich flog eine sonderbare Kreatur an ihm vorbei.
Was war das, zum Teufel? Ein … ein Stelzenläufer?
Groß und mit schlaksigen Gliedmaßen bewegte sich die Gestalt auf etwas fort, das aussah wie mit Sprungfedern versehene Stelzen. Genau vor dem Constable, der stolperte und auf die Knie fiel, blieb sie plötzlich stehen.
»Edward, nein!«, brüllte die Erscheinung.
Ein Blitz schoss aus ihrer Seite in den Erdboden, und die magere Gestalt taumelte und griff sich stöhnend an die Brust.
Weiter hinten drehten sich die kämpfenden Männer um und blickten zu ihnen herüber.
Aus der Pistole stieg Rauch auf.
Blut spritzte aus Viktorias Kopf.
»Barmherziger Gott!«, keuchte Trounce.
Der Knall einer Explosion zerriss die
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