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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Minister nie und nimmer. Die wissen überhaupt nicht, was hier los ist.« Durruti lachte immer lauter: »Schau dir den hier an, das ist ein Minister.« Aber der Milizsoldat weigerte sich zu glauben, daß ein Minister im Graben ein Brot mit eingemachtem Rindfleisch essen könnte.
    Juan Garcia Oliver 2

    Die Schlacht
    19. November 1936. - Die Meuterer stürmen grimmig das Universitätsviertel. Sie führen immer mehr Verstärkung, Artillerie, Granatwerfer heran. Die Angriffe kommen sie teuer zu stehen, die Verluste, besonders unter den Marokkanern, sind gewaltig. Die Plätze zwischen den Baulichkeiten des Universitätsviertels sind mit Leichnamen übersät. Durruti ist sehr niedergeschlagen, daß gerade seine Truppe dem Feind die Möglichkeit gegeben hat, in die Stadt einzudringen. Er will aber diese Schlappe durch einen neuen Angriff wettmachen, an der gleichen Stelle, wo die Anarchisten zurückgingen. Die ununterbrochenen Bombardierungen, die Vernichtung schutzloser Einwohner machen ihn blindwütig. Seine großen Fäuste ballen sich, seine straffe Gestalt ist irgendwie geduckt, er verkörpert gleichsam die Erscheinung eines antiken römischen Gladiatorensklaven, zum verzweifelten Befreiungsausbruch gespannt.
21. November 1936. - Wieder regnet es den ganzen Tag. Um die Mittagszeit ist es mir gelungen, zusammen mit angreifenden republikanischen Einheiten in die Universitätsklinik und ins Altersheim »Santa Cristina« einzudringen. Beide Gebäude sind im Frontalangriff mit Handgranaten und Bajonetten genommen worden.
Die Marokkaner und »Regulares« sind um etwa zweihundert Meter zurückgegangen, nicht mehr. Sie halten die ihnen abge nommenen Gebäude unter Beschuß, man muß kriechen, Verbindungswege sind noch nicht gegraben.
Unmittelbar neben einem halbfertigen Rohbau ist ein Gebäude der Klinik vollständig zerstört. Zimmerdecken und Fußböden sind von Geschossen durchschlagen, die Einrichtung demoliert, zerbrochen. Die Betten umgekippt, die Fußböden sind mit Scherben und Schutt bedeckt.
Unten im Leichenhaus stoße ich auf den alten Wächter. Ihm ist es gelungen, selbst nach dreifachem Sturm und nach Übergabe des Hauses von Hand zu Hand heil zu bleiben. Er bittet die kämpfenden Soldaten, ihre Toten zur Aufbewahrung ins Leichenhaus zu bringen, und ist durch eine Absage sehr gekränkt. Offenbar ist er nicht mehr ganz richtig im Kopf. Hätte man jemals gedacht, daß dieses bescheidene Leichenhaus so überfüllt sein würde? Wer konnte voraussehen, daß der allerruhigste wissenschaftliche, akademische Winkel zur Arena der allerhärtesten, allererbittertsten Kämpfe wird!
Armes Madrid! Man hielt es für eine so sorglose, so gefahrlose, so glückliche Stadt. Der Erste Weltkrieg hatte es nicht berührt, spielte sich weit entfernt ab. Jetzt machte es in fünfzehn Tagen mehr durch als europäische Hauptstädte in vier Kriegsjahren. Die Stadt war zum Schlachtfeld geworden! Als wir abgespannt, naß, schmutzig, sprachlos, aber zufrieden in die zweite Linie zurückkrochen, lief jemand herbei und erzählte, im Nachbarabschnitt, im Westpark, sei Durruti gefallen. In der Frühe hatte ich ihn noch auf der Treppe des Kriegsministeriums gesehen. Ich hatte ihn aufgefordert, zum Altersheim »Santa Cristina« mitzukommen. Durruti hatte den Kopf geschüttelt. Er gehe seinen eigenen Abschnitt vorbereiten und müsse vor allem die Truppenteile vor dem Regen schützen. Ich scherzte: »Sind sie denn aus Zucker?« Er antwortete brummig: »Ja, die sind aus Zucker.
Sie lösen sich auf bei Wasser. Von zweien bleibt einer. Sie verderben in Madrid.«
Das waren seine letzten Worte. Er war in schlechter Stimmung.
    Michail Kol‘cov

    Zwischen dem 13. und 19. November 1936 sind sechzig Prozent der Truppen, die Durruti in Madrid geführt hat, vor dem Feind gefallen, darunter der größte Teil seines Stabes. Die Überlebenden waren völlig erschöpft und übernächtig.
    Ricardo Sanz 2

    Militärisch war das Ganze eine Katastrophe. Eine Kolonne von solcher Mentalität konnte in Madrid nichts ausrichten.
Es fehlte ihr einfach jeder Sinn für Disziplin, jeder einzelne tat das, wozu er Lust hatte. Als sie anfingen, ihre Fehler zu begreifen, war es schon zu spät. Die Einheiten, die mit einer andern Ideologie auftraten, ich meine die Kommunisten, funktionierten anders; ihre militärische Disziplin war sehr strikt. Unter den Anarchisten gab es keine Feiglinge, die meisten waren außerordentlich mutig, aber militärisch war das Ganze eine

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