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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Das ist aber eine unverschämte Bande!« Einmal, da kommen wir aus dem Hauptquartier. »Los, nehmen wir einen Schluck vor dem Essen!« — »Wo denn?« - »Drüben am Fernmeldeamt, da gibts sogar frischen Hummer.« - »Was, Hummer?« schrie der Wirt. — »Wo kommt ihr denn her?«
- »Wir sind von der Kolonne Durruti!« Da fuhr er gleich seinen Hummer auf. Als wir rauskommen, finden wir auf der Straße eine verwundete Frau. Irgendwo schießt einer aus einem Fenster. Eine andere Frau ruft mir zu: »Da oben ist ein Scharfschütze, ein Faschist.« Also wir nichts wie die Treppen hoch, finden den Kerl und werfen ihn aus dem Fenster auf die Straße. Und die Regierung: »Das sind ja die reinsten Barbaren!« Aber wir ließen sie schimpfen und machten weiter.
    Ricardo Rionda Castro

    In Madrid benutzte die Kolonne Durruti gern die sogenannte FAI-Bombe. Das war eine sehr schwere Handgranate mit einem Gewicht von rund einem Kilo und von großer Sprengkraft. Sie war besonders für den Straßenkampf geeignet.
Für offenes Gelände eignete sie sich nicht. Ihr Gewicht ließ keine weiten Würfe zu. Meistens explodierte sie schon vor dem Aufschlag in der Luft. Dagegen leistete sie gute Dienste beim Wurf von Dach terrassen und Baikonen aus. In Madrid wurde sie wegen ihrer Brisanz sogar gegen feindliche Tanks eingesetzt. In seinem Hauptquartier in der Straße Miguel Angel hatte Durruti 35 000 FAI-Bomben in einer Pyramide von Kisten gestapelt, und zwar in der Garage des Palastes. Als die Nachbarn von diesem Arsenal erfuhren, beschwerten sie sich beim Kriegsministerium über die Gefahr, die das Bombenlager im Fall eines Luftangriffs darstellte; aber erst nach einem Monat konnten die FAI-Bomben in einem entlegenen Keller sicherer untergebracht werden.
    Ricardo Sanz 3

    Im Oktober 1936 leitete ich eine Gruppe von Ärzten aus Katalonien. Der Chef des Sanitätswesens in Barcelona gab uns den Auftrag, nach Madrid zu gehen und dort, zusammen mit einigen Madrider Ärzten, im Hotel Ritz das Militärlazarett Nr. 21 aufzubauen.
Natürlich waren wir alle, unserer Herkunft, unserer Ausbildung und unserer Mentalität nach, Mitglieder der Bourgeoisie. Aber die Anarchisten waren bald überzeugt davon, daß wir ihnen nach bestem Wissen und Gewissen helfen wollten und daß wir keine Verräter waren. Von da an vertrauten und respektierten sie uns.
Obwohl ich ihre Ideen nicht teile, muß ich sagen, daß mir in meinem ganzen Leben wenig Leute begegnet sind, die so großherzig und so selbstlos waren wie die Anarchisten. Ihre Moralvorstellungen waren sehr eigentümlich. Zum Beispiel fanden sie es ganz entsetzlich, wenn ein Mann mehr als eine Frau hatte. Zwei Liebschaften zur gleichen Zeit, das hielten sie für unmoralisch. Dabei waren sie ganz und gar gegen die bürgerliche Ehe. Wenn ein Mann sich mit seiner Gefährtin nicht verstand, konnte er sich ohne weiteres eine andere suchen. Aber zwei zur gleichen Zeit, das ging nicht an.
Auch über das Eigentum hatten sie ihre eigenen Ansichten. Sie besaßen selber so gut wie nichts und waren für die Enteignung der Bourgeoisie/ Aber Raub und Diebstahl waren ihnen verhaßt. Eines Tages zum Beispiel wurde ich in das Hauptquartier der Kolonne Durruti in Madrid gerufen. Da lag ein toter Milizsoldat auf dem Fußboden; ich weiß sogar noch seinen Namen, er hieß Valena. Ich sollte einen Totenschein ausstellen, damit er beerdigt werden konnte. Ich fragte, woran er denn gestorben sei. Sie antworteten mir ganz kaltblütig, sie hätten ihm zwei Kugeln durch den Kopf schießen müssen, weil er bei einer Haussuchung eine Uhr und zwei Armbänder gestohlen hatte. Sie müssen sich vorstellen, das war zu einer Zeit, als in Madrid dauernd geschossen wurde und es praktisch keine Justiz mehr gab. Übrigens waren diese Haussuchungen von den Anarchisten selbst organisiert worden. Sie wollten sich auf diese Weise Geld für die CNT verschaffen. Aber wehe, wenn sich einer einen Teil der Beute in die eigene Tasche steckte. Er wurde auf der Stelle erschossen. Das war die Moral der Anarchisten.    
    Martinez Fraile

    Vierundzwanzig Stunden vor der Sprengung der Franzosen-Brücke traf ich mich, mitten in der Schlacht um Madrid, mit Durruti. Wir teilten uns die Verpflegung für Soldaten: Brot und etwas Ochsenfleisch. Durruti war gut gelaunt, er lachte und sagte, nicht ohne Ironie über mein damaliges Amt, indem er in sein Sandwich biß: »Eine wahre Minister-Mahlzeit!« Ein skeptischer Milizionär antwortete ihm: »Ach was, so etwas essen

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