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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Spaniens diese »Fortschritte« mit elementarer Gewalt ab. Sie bewundern keineswegs die Leistungen und die Erfolge des englischen, deutschen und französischen Proletariats; sie weigern sich, ihnen auf diesem Weg zu folgen; sie haben die Zweckrationalität der kapitalistischen Entwicklung sowenig verinnerlicht wie ihren Warenfetischismus; sie wehren sich verzweifelt gegen ein System, das ihnen unmenschlich scheint, und gegen die Entfremdung, die es mit sich bringt. Sie hassen den Kapitalismus mit einem Haß, dessen ihre Genossen in Westeuropa nicht mehr fähig sind. An dieser Erklärung ist, wie ich glaube, viel Wahres. Sie kann sich darauf berufen, daß es, entgegen den Erwartungen von Marx und Engels, nicht die »fortgeschrittensten« Länder waren, weder England noch Deutschland, noch die USA, in denen die soziale Revolution gesiegt hat, sondern Gesellschaften, denen der Kapitalismus fremd und äußerlich war. Daraus folgt, was Spanien angeht, allerdings nicht, daß die Anarchisten bloße »Überreste der Vergangenheit« waren; wer ihre Bewegung archaisch nennt, macht sich an eben jenem Geschichtsschema fest, das hier in Frage steht. Die spanischen Revolutionäre waren keine Maschinenstürmer. Ihre Wünsche zielten nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft: eine andere, ab der Kapitalismus für sie bereithielt; und in der kurzen Zeit ihres Triumphes haben sie ihre Fabriken nicht geschlossen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen dienstbar gemacht und in ihre eigenen Hände genommen.

Los Solidarios
    Der Terror der Pistoleros
    Es war der Genosse Buenacasa, damals Vorsitzender des Nationalkomitees der CNT in San Sebastian, der Durruti geraten hat, nach Barcelona zu gehen. Das war im Jahre 1920, in einer Zeit furchtbarster Unterdrückung. Der Gouverneur Martinez Anido und der Polizeipräsident Arlegui hatten eine regelrechte Terror-Kampagne gegen die Anarchisten in Katalonien organisiert. Jedes Mittel war ihnen recht. Zusammen mit den Unternehmern der Region versuchten sie, eine gelbe Zwangsgewerkschaft, die sogenannten Sindicatos Libres, aufzubauen. Natürlich wollte kein Arbeiter freiwillig in diese Syndikate eintreten. Deshalb stellten die Unternehmer, mit Unterstützung der Behörden, eigens bewaffnete Banden auf, die Pistoleros. Diese Mördertrupps sollten die politisch aktiven Arbeiter von Barcelona liquidieren.
Durruti schloß damals mit Francisco Ascaso, Gregorio Jover und Garcia Oliver jene Freundschaft, die erst der Tod zerreißen sollte. Sie bildeten eine Kampfgruppe und hielten mit ihren Pistolen die Arbeitermörder in Schach. Die spanische Arbeiterklasse sah in ihnen ihre besten Verteidiger. Sie übten Propaganda durch die Tat und riskierten dabei täglich ihr Leben. Das Volk liebte sie, weil sie es nicht auf politischen Betrug abgesehen hatten.
Ministerpräsident war damals ein Mann namens Dato. Er wurde als Hauptschuldiger an der Unterdrückungskampagne in Barcelona betrachtet. Die Anarchisten beschlossen, ihn durch ein Attentat hinzurichten. So geschah es.
Später richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf den Kardinal Soldevila, der in Zaragoza residierte. Er fiel den Kugeln Ascasos und Durrutis zum Opfer. Der würdige Kardinal finanzierte aus den Erträgnissen einer Aktiengesellschaft, die er zum Betrieb mehrerer Hotels und Spielhöllen gegründet hatte, die gelben Sindicatos Libres und deren Mörderzentrale in Barcelona.
    Heinz Rüdiger/Alejandro Gilabert

    Ich habe Durruti im Jahre 1922 kennengelernt, in Barcelona. Die CNT war damals schon eine riesige Gewerkschaftsorganisation. Sie hatte unter den Arbeitern nicht nur die Mehrheit, sie beherrschte praktisch alle Betriebe.
Wir haben damals die Gruppe Los Solidarios gebildet, die später so berühmt oder berüchtigt geworden ist. Wir waren ungefähr zwölf: Durruti, Garcia Oliver, Francisco Ascaso, Gregorio Jover, Garcia Vivancos, Antonio Ortiz. Alles in allem waren wir anfangs nur ein Dutzend.
Wir brauchten solche Gruppen, um uns gegen den weißen Terror zu wehren. Die Unternehmer haben damals im Einverständnis mit den Behörden eigene Söldnerformationen aufgestellt, gut bewaffnete und glänzend bezahlte Schlägertrupps. Wir mußten uns wehren. Als wir unsere Gruppe gründeten, waren allein in Barcelona über 300 anarchistische Gewerkschaftler dem weißen Terror zum Opfer gefallen. Über dreihundert Tote!
Damals konnten wir an offensive revolutionäre Aktionen gar nicht denken. Es war die Zeit der Selbstverteidigung. Die FAI gab es damals noch

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