Der kurze Sommer der Anarchie
mehrere Banken ausgeraubt, um der revolutionären Bewegung Geld zu verschaffen.
Gaston Leval
In Buenos Aires fuhren sie einmal Trambahn, Ascaso und Durruti, und auf einmal merkten sie, daß sie unter ihrem eigenen Steckbrief saßen. Die Regierung hatte ein Kopfgeld ausgesetzt; sie mußten das Land so schnell wie möglich verlassen. Sie kauften sich Schiffspassagen erster Klasse, und das war sehr schlau von ihnen. Sie kamen ohne weiteres an Bord. Aber dann, als Arbeiter in der Ersten Klasse, ja, vor allem Durruti, der war tapfer und ein prima Kerl, aber ein feiner Herr, Manieren und so weiter, nie! Zum Beispiel am Eingang zum Speisesaal stand ein Laufbursche und nahm den Leuten den Hut ab. Durruti ging einfach an ihm vorbei, die Mütze auf dem Kopf. »Mein Herr, Ihre Mütze, Ihre Mütze!« Durruti ließ ihn stehen und stopfte sich die Mütze in die Tasche. Oder beim Nachtisch, Äpfel und Orangen mit Messer und Gabel schälen, das war nichts für ihn, er schmiß das Besteck einfach weg.
Da sagte sein Freund zu ihm: »Paß auf, die beobachten dich schon. Da ist etwas im Gange. Wir müssen etwas erfinden. Sagen wir einfach, wir sind Artisten!« — »Was? Artisten? Soll ich als Tänzer herumlaufen, oder wie?« — »Nein, das nicht. Aber was machen wir bloß? Ich weiß! Ihr seid eben Sportler. Handballstars!« Und so sind sie auf dem Schiff aufgetreten, als Handballspieler, eine phantastische Idee. Die Passagiere wurden ganz zutraulich. Als es an die Ausschiffung ging, natürlich die aus der Dritten Klasse wurden haarscharf kontrolliert, aber in der Ersten nahmen sie nur den Paß und hauten ihren Stempel rein, bitte sehr, mein Herr, und schon waren sie von Bord.
Eugenio Valdenebro
Die ideale Bibliothek
Der große Traum Durrutis und Ascasos war es, in allen großen Städten der Welt anarchistische Verlage zu gründen. Das größte Unternehmen dieser Art sollte seinen Sitz in Paris haben, dem Mittelpunkt der intellektuellen Welt, und zwar möglichst an der Place de l’Opera oder an der Place de la Concorde. Dort sollten die wichtigsten Werke des modernen Denkens in allen Weltsprachen erscheinen. Zu diesem Zweck wurde der »Internationale Anarchistische Verlag« gegründet; er gab zahlreiche Bücher, Flugschriften und Zeitschriften in verschiedenen Sprachen heraus. Die französische Regierung verfolgte diese Arbeit mit allen polizeilichen Mitteln, ebenso wie die spanische und alle andern reaktionären Regierungen der Welt. Es gefiel ihnen gar nicht, daß sich die Gruppe Durruti-Ascaso nun auch auf kulturellem Gebiet bemerkbar machte. Verhaftungen und Ausweisungen führten schließlich zum Ruin des Verlages. Das Lieblingskind dieser beiden Söhne des Don Quichote mußte vorläu fig zu Grabe getragen werden. Sie griffen wieder zur Pistole, wie der Ritter von der Traurigen Gestalt zu seiner Lanze gegriffen hatte, um »das Unrecht zu vertilgen, die Notleidenden zu retten und das Reich der Gerechtigkeit auf Erden einzuführen«.
Canovas Cervantes
Durruti brachte zur Unterstützung der Librairie Internationale eine Summe von einer halben Million Francs bei. Nach der Proklamation der Republik wollten die Anarchisten den Sitz des Verlags nach Barcelona verlegen. Das Unternehmen verschlang Tausende von Peseten. Doch auf der Zollstation von Port-Bou zündeten französische Gendarmen das gesamte Material an. Auf diese Weise ist das Resultat vieler Aufwendungen und Opfer verlorengegangen.
Alejandro Gilabert
In einer kleinen Schreinerwerkstatt arbeitete damals in Paris der berühmte russische Anarchist und Guerrillero Nestor Machno. Er war, wie Durruti, ein Mann der Aktion. Die ukrainischen Bauern verehrten ihn wie einen Gott.
Mit einem Bauernheer hatte er die Weiße Garde der Konterrevolution besiegt. Trockij als Kriegskommissar der Roten Armee versuchte ihn auszuschalten, als er merkte, daß Machno der russischen Revolution eine freiheitliche Richtung geben wollte. Machno mußte aus Rußland fliehen. Durruti bewunderte ihn sehr und freundete sich mit ihm an. Die beiden waren einander vom Charakter her ähnlich. Sie hatten die gleichen Vorstellungen vom Ziel der Revolution.
Alejandro Gilabert
Das Attentat auf den König
Ich habe Ascaso und Durruti bei einer Pariser Genossin namens Berthe kennengelernt. Eines Tages fragten die beiden nach einem Koffer. Natürlich bot ich ihnen den meinen an. Ascaso nahm ihn zur Hand und sagte lachend: »Der ist nicht solid genug.« Ich widersprach und behauptete, der Koffer sei gut,
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