Der kurze Sommer der Anarchie
Hirtenbluse an und kletterte in Zaragoza mitten in der Nacht in diesen Zug, und am nächsten Morgen stand er bei mir in Barcelona vor der Tür.
Von Barcelona aus ist Ascaso dann nach Frankreich gegangen.
In Paris hat er sich mit Durruti getroffen, mit Garcia Oliver und mit Jover. Wir hatten ihnen alles Geld mitgegeben, das wir noch übrig hatten. Die Solidarios machten in Frankreich weiter. Das erste, was sie in Paris taten: sie halfen der Internationalen Buchhandlung auf die Beine, in der Rue Petit, Nummer 14. Der stifteten sie 300 000 Peseten, und zugleich wurde die Anarchistische Enzyklopädie begründet, die heute noch nicht fertig ist — immer neue Bände und kein Ende.
Ricardo Sanz 1
In Paris trafen sich die vier Überlebenden der Gruppe Solidarios wieder: Jover, Durruti und die beiden Brüder Ascaso. Durruti fand in der Automobilfabrik Renault Arbeit als Schlosser, der ältere Ascaso in einer Kunststein- und Mosaikwerkstatt; sein jüngerer Bruder wurde Hilfsarbeiter in einem Bleiplatten- und Röhrenwerk. Jover arbeitete in einer Matratzenfabrik, wo er, seiner Fähigkeiten wegen, Werkmeister werden und die andern Arbeiter beaufsichtigen sollte. Das lehnte er ab; es ging ihm gegen den Strich.
V. de Rol
Ich habe ihn kennengelernt in den ersten Jahren der Diktatur, 1923 oder 24, bei einem konspirativen Treffen, das wir in Bilbao abhielten. Durruti war illegal aus seinem Pariser Exil gekommen; er spazierte seelenruhig auf dem Hauptplatz von Bilbao herum, zusammen mit Jover, der einer seiner engsten Freunde war. Es war ein wichtiges Treffen, fast ein Kongreß, mit vielen Genossen, auch aus anderen Organisationen. Es waren auch die Sozialisten dabei. Ich erinnere mich, wie Durruti mit Largo Caballero diskutierte, dem Anführer der Sozialdemokratischen Partei, der später Ministerpräsident der Republik geworden ist.
Juan Ferrer
Ein naiver Versuch
Unter den spanischen Anarchisten im Pariser Exil, die mit den Genossen zuhause Verbindung hielten, kam der Gedanke auf, die verhaßte Diktatur mit Waffengewalt zu schlagen. Während in Barcelona Aktionsgruppen die Kasernen angreifen und Barrikaden errichten sollten, planten die Pariser, gleichzeitig die spanische Grenze mit der Waffe in der Hand zu überschreiten und die Grenzposten zu besetzen.
Aus vielen spanischen Städten lagen Nachrichten über die zunehmende Unzufriedenheit der Truppen vor. Sie sollten nach Marokko verlegt werden, um die Afrikaner unter Druck zu setzen. Immer mehr Deserteure kamen in Paris an. Die Situation schien günstig. Die Pariser Anarchisten beschlossen, einen Vertreter nach Barcelona zu entsenden. Mit dieser Aufgabe wurde Jover betraut. Nach seiner Ankunft wurde ein Treffen auf dem Land einberufen, an dem die Delegierten der CNT und der einzelnen Aktionsgruppen teilnahmen, um den Aufstand zu planen und vorzubereiten. Die Genossen aus Barcelona sollten die Kaserne besetzen und den Artilleriepark übernehmen. Einige Soldaten und ein Unteroffizier hatten sich bereit erklärt, ihnen das Kasernentor zu öffnen und sie zu unterstützen. Sie versicherten, daß die Mehrzahl der Soldaten sich dem Aufstand anschließen würde.
Jover erstattete nach seiner Rückkehr den Genossen in Paris Bericht. Ein weiterer Abgesandter fuhr nach Barcelona. Es wurde festgelegt, daß die Genossen in Barcelona den Tag der Aktion bestimmen sollten; die Pariser Gruppen würden dann am selben Tag die Grenzstationen von Hendaya, Irun, Vera de Bidadosa, Perpignan und Figueras angreifen. Eine Woche vor dem festgesetzten Tag fand in Barcelona eine letzte Besprechung statt. Die zwei Delegierten der CNT, die bei dem vorangegangenen Treffen ihr Einverständnis mit den Beschlüssen erklärt hatten, äußerten nun auf einmal Befürchtungen und Bedenken. Sie wollten sich zwar persönlich zur Verfügung stellen und jede mögliche Beihilfe leisten, die Organisation jedoch könne sich an der Aktion nicht beteiligen. Sie ließen sich vom Gespenst der »Verantwortung« schrecken, das ihnen einige einflußreiche Leute in den Spitzengremien an die Wand gemalt hatten. Die Versammelten waren jedoch der Meinung, daß die Aktion der Basis jene »Notabein« mit sich reißen würde, und sie beschlossen, ihren Plan voranzutreiben. Einer der Teilnehmer reiste nach Paris zurück. Jover, der dafür vorgeschlagen worden war, lehnte diese Mission ab. Obwohl er in Barcelona besonders gefährdet war, glaubte er, auf dem heimischen Terrain mehr ausrichten zu können als an der Grenze. Es fuhr also
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