Der kurze Sommer der Anarchie
hatten die Arbeiter von Asturien nur einen schwachen Bündnispartner: die katalanische Esquerra unter ihrem Anführer Luis Companys, der es einzig und allein darum ging, ihr Autonomiestatut zu verteidigen. Die Anarchisten in Katalonien und Andalusien verhielten sich passiv. Allzuoft hatte Largo Caballero sie verleumdet und unter Druck gesetzt; allzuoft hatte die Sozialdemokratie die Polizei auf die CNT gehetzt. Die tiefsitzende Spaltung der Arbeiterbewegung war letzten Endes der Grund für die Niederlage von 1934. Nachdem der asturische Aufstand politisch isoliert war, gelang es der Regierung innerhalb weniger Wochen, ihn trotz verzweifelten Widerstandes militärisch niederzuschlagen. Die Zentren der Revolution wurden bombardiert, die Fremdenlegion und die maurischen Regimenter unter dem Befehl eines Generals namens Francisco Franco massakrierten die Arbeiter von Asturien. Die Repression war fürchterlich. Ende 1935 saßen in den spanischen Gefängnissen über dreißigtausend politische Gefangene.
Nach diesem »Erfolg« kannte die Arroganz der Reaktion keine Grenzen mehr. Sie überschätzte ihre Stärke derart, daß sie für den Februar 1936 Neuwahlen ausschrieb. Wie leichtsinnig dieser Schritt war, zeigte bereits der Wahlkampf. Die Sozialdemokratie hatte aus dem asturischen Debakel den Schluß gezogen, daß sie für die Revolution einfach nicht geschaffen war. Sie kehrte reumütig zu ihrer parlamentarischen Taktik zurück und schloß ein Wahlbündnis mit den republikanischen Parteien der Mitte; auch die Kommunisten, eine zahlenmäßig unbedeutende Gruppe, schlössen sich diesem Bündnis an. Das war die Geburtsstunde der » Volksfront«, die bei den Wahlen vom Februar 1936 einen überwältigenden Sieg errang. Freilich war der politische Erdrutsch letzten Endes von einer Kraft ausgelöst worden, die im Parlament überhaupt nicht in Erscheinung trat. Die CNT mit ihren Anhängern, die nach Millionen zählten, entschied den Ausgang, indem sie die Parole des Wahlboykotts stillschweigend fallenließ.
Doch die neue Regierung konnte sich so wenig wie 1931 zu entschiedenen Reformen aufraffen. Sie begnügte sich damit, die Gesetze, die Gil Robles widerrufen hatte, aufs neue in Kraft zu setzen. Ansonsten blieb alles beim alten. Das Volk war in der Volksfront nicht vertreten. Die Republikaner waren unfähig, die spanische Zwickmühle aufzubrechen.
Der Stoß, der die alte Gesellschaft über den Haufen werfen sollte, kam von rechts. Vom ersten Tag der Volksfront an war die Rechte entschlossen, die gewählte Regierung gewaltsam zu stürzen. Dazu bedurfte es ideologischer und organisatorischer Vorbereitungen. Hitlers Deutschland und Mussolinis Italien boten Beispiele dafür, wie die Reaktion sich von ihren restaurativen Träumen lösen und zur Offensive übergehen konnte; die Achsenmächte versprachen darüber hinaus propagandistische und materielle Unterstützung. Die Falange Espanola begann ihren Aufstieg. Die Armee bereitete den Staatsstreich vor. Die Konfrontation war absehbar. Die Regierung zögerte. Die Generäle schlugen zu. Am 17. Juli stellte sich Franco an die Spitze einer Militärrevolte in Spanisch-Marokko. Am 18. Juli griff der Putsch auf das Festland über. Drei Tage später war ein Drittel des Landes in der Hand der Generäle: das stockkatholische Navarra, ein Teil von Aragon, Galicien, Leon, Altkastilien, Sevilla, Cadiz und Cordoba. Die Putschisten rechneten mit keinem ernsthaften Widerstand. Sie hatten ihre Rechnung ohne das spanische Volk gemacht.
Die Republik
Die Rückkehr
Ein paar Tage nach der Proklamation der Zweiten Republik im April 1931 sind sie bei mir zuhause aufgetaucht, Durruti, Ascaso und Garcia Oliver.
Wir haben lange diskutiert, vor allem über das damalige Hauptproblem der Anarchisten. Die einen glaubten, man müsse der Republik eine Chance geben, die andern sagten, und das war der extremistische Flügel der anarchistischen Bewegung, zu dem Durruti, Ascaso und Garcia Oliver gehörten, man dürfe der Republik keine Zeit lassen, sich zu etablieren. Das gefährde die Fortentwicklung der spanischen Gesellschaft und schneide den Prozeß einer revolutionären Strukturänderung ab. Wir standen also auf verschiedenen
Seiten. Ich gebe zu, ich fürchtete damals, eine allzu große Überstürzung könnte unserer Sache schaden. Später habe ich dann, angesichts der Entwicklung dieser Republik, einsehen müssen, daß Durruti, Ascaso und Garcia Oliver recht hatten. Die Republik ist in einen ängstlichen
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