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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Reformismus verfallen; sie hat nicht einmal die Agrarreform durchsetzen können, die damals das Schlüsselproblem Spaniens war.
    Federica Montseny 1

    1931, als in Spanien die Republik ausgerufen wurde, das war der reinste Taumel, ein Delirium... Die Emigranten in Brüssel haben ihre Papiere zusammengesucht; sie wollten so schnell wie möglich zurückkehren. Durruti und Ascaso waren die ersten, die abfuhren. Wir sind allein zurückgeblieben mit unsern Koffern, unserm Gepäck.
Ich konnte erst einen Monat später fahren. Mein erster Eindruck von Barcelona war zwiespältig. Alle hatten mir gesagt, in Barcelona regnet es so gut wie nie. Da habe ich meinen Regenmantel einer Freundin in Brüssel geschenkt. Als wir in Spanien ankamen, regnete es in Strömen. Das war im Juni. Auch das politische Klima war ganz anders als in Paris. Ich kannte zwar die anarcho-syndikalistische Bewegung in Frankreich, aber dort war alles ganz anders. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auch die Mentalität der spanischen Genossen... Sie schienen mir, entschuldigen Sie, aber sie schienen mir ein bißchen simpel, ein bißchen elementar. Etwas anderes, was mich verblüfft hat: Die Frauen spielten überhaupt keine Rolle. Natürlich, auf den Kundgebungen, in den Meetings sah man auch Frauen. Aber nie in Begleitung ihrer Männer. Die Männer trafen sich im Cafe. Sie blieben stundenlang vor einer Tasse Kaffee sitzen. Säufer waren sie nicht, das muß man ihnen lassen. Es ging so weit, daß ich eines Tages zu Buenaventura sagte: »Was ist denn mit deinen Genossen los, sind das alles Junggesellen?« Aber da war nichts zu machen. Sie verstehen schon. Die Frau gehört ins Haus, und damit basta.
    Emilienne Morin

    Als ich nach der Ausrufung der Republik zum ersten Mal nach Spanien gekommen bin, da habe ich Durruti kennengelernt, und zwar im Cafe Tranquilidad, das heißt auf deutsch: Cafe zur Ruhe. Das war damals ein Treffpunkt der Anarchisten, und damit natürlich auch ein Treffpunkt der Polizei, die dauernd hereinkam und oft genug Leute verhaftete. Aber die Anarchisten ließen sich nicht stören. Ich hatte schon viele Legenden über Durruti gehört. Er war ganz anders, als ich es nach diesen unglaublichen Geschichten erwartet hatte.
Ich traf einen sehr ruhigen, sehr freundlichen Mann, und die maßlose Energie, die er zuweilen an den Tag legte, war ihm kaum anzusehen.
    Arthur Lehning

    Unter den »Drei Musketieren« war Ascaso der zurückhaltendste. Aber wenn Garcia die federnde Spannkraft, Durruti den starken Arm und die Willenskraft darstellte, so war Ascaso der kaltblütige und durchdringende Kopf des Ganzen. Sein Gesicht war zart und klug, um seinen Mund zeigte sich ein melancholischer, spöttischer Zug, sein Blick war durchdringend und ironisch. Er war eher klein, schlank, gemessen in seinen Bewegungen; er legte eine etwas lässige Grazie an den Tag, hinter der sich eine übermenschliche Energie verbarg. Es haftete ihm im Vergleich zu Durruti, der plebejisch, offen, lärmend auftrat, etwas schier Aristokratisches an. Wenn man sie zusammen sah, Buenaventura, der mit seinen riesigen Fäusten auf den Tisch hieb und aus vollem Halse schrie, und neben ihm Francisco, nonchalant, boshaft, mit einem ewigen Lächeln auf den Lippen, spürte man die Kraft des einen wie den Geist des andern. Sie ergänzten einander vollkommen.
    Federica Montseny 1

Der erste Mai
    Nach der Errichtung der Spanischen Republik fuhr ich, um meine Freunde Ascaso, Durruti und Jover zu besuchen, nach Barcelona. Ich kam am Vorabend des ersten Mai an. Die Kommunisten hatten für diesen Tag eine Kundgebung geplant und die Mauern der Stadt mit Plakaten überschwemmt. Dagegen von Seiten der CNT-FAI nichts, nicht einmal ein Handzettel! Wollten sie sich die Agitationsmöglichkeiten an einem solchen Tag entgehen lassen? Durruti beruhigte mich: »Im Gegenteil, wir werden eine Demonstration durch die Hauptverkehrsstraßen der Stadt organisieren. Wir rechnen mit hunderttausend Teilnehmern.« »Und wo bleibt eure Propaganda?«, fragte ich. »Ich sehe keine Aufrufe.«
»Wir haben unsern Zug in unserer Tageszeitung angekündigt, der Solidaridad Obrera.«
Tatsächlich brachten die Anarchisten am andern Tag 100000 Leute auf die Beine, die Kommunisten höchstens sechs- bis siebentausend.
Dennoch fand ich, ihr Selbstvertrauen grenze an Leichtsinn. Ich hatte den Eindruck, sie unterschätzten die Gefährlichkeit der Kommunisten. Die »drei Musketiere« und ihre spanischen Genossen lachten mich aus.

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