Der kurze Sommer der Anarchie
Revolution.«
»Arbeiter«, rief Buenaventura Durruti seinen Zuhörern zu, »das letztemal habt ihr für die Republik gestimmt. Wenn ihr gewußt hättet, daß diese Republik 9000 Arbeiter ins Gefängnis werfen würde, hättet ihr sie dann gewählt?« »Nein!« schrie die Menge.
Als nächster sprach Valeriano Orobon Fernandez, ein jüngerer Anarchist. Die Revolution der Republikaner, sagte er, hat Bankerott gemacht; eine Konterrevolution der Faschisten steht bevor. Wie war es in Deutschland? Die Sozialisten und die Kommunisten wußten ganz genau, was Hitler vorhatte, und dennoch sind sie zur Wahl gegangen und haben ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Und Österreich, der Stolz aller Sozialdemokraten? Dort konnte die sozialdemokratische Partei mit 45% der Wählerstimmen rechnen. Sie hofften, noch sechs Prozent hinzuzugewinnen: das hätte sie an die Macht gebracht.
»Aber sie vergaßen eine ganz einfache Tatsache: nämlich, daß sie, selbst wenn ihre Rechnung aufginge, am Tag nach dem Wahlsieg ihre Macht auf der Straße, mit der Waffe in der Hand, hätten verteidigen müssen, weil die Reaktion sich die Macht nicht einfach wegnehmen läßt.«
Jose Peirats 2 / Stephen John Brademas
Anteil der Stimmenthaltungen bei den Parlamentswahlen vom 19. November 1933:
Provinz Barcelona 40 %
Provinz Zaragoza über 40 %
Provinz Huesca über 40%
Provinz Tarragona über 40%
Provinz Sevilla über 45 %
Provinz Cadiz über 45 %
Provinz Malaga über 45 %
Spanien insgesamt 32,5 %
Cesar Lorenzo
Zu den Wahlen von 1933 hatten die spanischen Anarchisten die größte Wahlboykott-Kampagne durchgeführt, die es in der Geschichte der Arbeiterbewegung überhaupt gegeben hat. Der Wahlstreik war insofern wirksam, als die meisten Arbeiter zu Hause blieben. Das Resultat war jedoch, daß die rechten, die konservativen Parteien die Wahl gewannen. Die Regierung von Gil Robles war noch keine faschistische Regierung im eigentlichen Sinn des Wortes, aber sie war äußerst reaktionär.
Arthur Lehning
Der Aufstand von Zaragoza
Kurz nach der Wahl hielt die CNT eine geheime Konferenz in Madrid ab. Ich war bei diesem Treffen anwesend, und ich weiß noch, wie dort argumentiert worden ist. Die CNT ist föderalistisch aufgebaut, jede Provinz hat ein Regionalkomitee, und diese Komitees vertraten oft eine eigene Linie, man war sich durchaus nicht immer einig. Damals jedenfalls sagten die Vertreter von Aragon: Wir haben nicht an den Wahlen teilgenommen, und es ist eigentlich unsere Schuld, daß wir eine rechte Regierung haben. Wir können das Resultat nicht eintach hinnehmen, wir müssen handeln. Jetzt ist es Zeit für den bewaffneten Aufstand!
Die Vertreter aus Barcelona sagten: Das geht nicht, wir haben keine Waffen, wir sind nicht vorbereitet, wir haben in den letzten Jahren schon zu viele Niederlagen erlitten.
Aber die Aragonesen ließen sich den Aufstand nicht ausreden.
Im Norden der Provinz waren die Stimmenthaltungen nahe an 99 Prozent herangekommen; hier fühlten sich die Anarchisten stark. Zaragoza war tagelang in den Händen der CNT, in den Dörfern des Nordens wurde überall der comunismo libertario proklamiert. In den andern Regionen tat die CNT, was sie konnte, um den Aufstand zu unterstützen, obwohl sie dagegen gewesen war. Die Regierung erklärte sofort den Ausnahmezustand. Nach einigen Wochen war das Ganze zu Ende. Durruti, Mera und die andern wurden verhaftet, sie bekamen einen Prozeß wegen Hochverrats an den Hals.
Arthur Lehning
Bei einer Versammlung auf der Plaza Monumental in Barcelona erklärte Durruti, die einzige Antwort auf den Wahlsieg der Reaktion sei die bewaffnete Revolution. Die CNT machte sich diese Losung zu eigen. Nur Garria Oliver, der die Niederlage vom Januar 1933 noch nicht verschmerzt hatte, wandte sich dagegen. Er hielt diese Politik für abenteuerlich. Zum erstenmal in der langjährigen Freundschaft zwischen ihm und Durruti kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Durruti ging nach Zaragoza, um den Aufstand vorzubereiten. An demselben Tag, an dem in Madrid das Parlament mit seiner neuen Mehrheit von Konterrevolutionären zusammentrat, brach die Bewegung los. Es war der 8. Dezember 1933.
Alejandro Gilabert
Am frühen Morgen gelang in Barcelona eine sensationelle Massenflucht von politischen Gefangenen. Sie hatten einen Tunnel ausgehoben, der in die Kanalisation der Stadt mündete. Das Revolutionskomitee der CNT hatte seinen Sitz in Zaragoza; dort war auch das Nationale Komitee der Anarchisten zuhause. Am Nachmittag
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