Der kurze Sommer der Anarchie
ihre Freundinnen an, die wollten die Gefangenen sehen. Durruti in seiner Zelle fährt sich durch die Haare, bis er ganz zerzaust ist, und als die Damen ankommen, schreit er wie ein Orang-Utan: »Uh! uh! uh!« Die Damen fallen fast um vor Schreck, und der Aufseher fragt ihn: »Was fällt dir denn ein?« Sagt Durruti: »Die bilden sich ein, wir seien eine Art Affen, fehlt nur noch, daß sie uns Erdnüsse zuwerfen. Wenn sie sich amüsieren wollen, sollen sie in den Zirkus laufen!«
Eugenio Valdenebro
Die Volksfront
Nach der asturischen Oktoberrevolution von 1934 wurde Durruti erneut eingesperrt: diesmal saß er mehrere Monate im Gefängnis von Valencia. Dort versuchte er, aus der Niederlage der Marxisten in Asturien Schlußfolgerungen für den Weg der spanischen Arbeiterbewegung zu ziehen.
Alle waren sich darüber einig, daß die bürgerliche Demokratie versagt hatte. Ein Bündnis aller revolutionären Arbeiter war notwendig. Garcia Oliver gab die Parole aus: »Alle Marxisten in die UGT, alle Anarchisten in die CNT, beide Organisationen vereint gegen den Kapitalismus.« Auf dem letzten Kongreß der CNT in Zaragoza wurde im Mai 1936 das Aktionsbündnis mit der sozialdemokratischen Gewerkschaft UGT beschlossen. Einzige Bedingung der CNT war, daß die sozialdemokratischen Arbeiter ihre Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien öffentlich widerrufen müßten. Dadurch wäre der Weg zur proletarischen Revolution frei geworden. Noch vor dem Kongreß hatte sich jedoch ein anderes Problem gestellt. Im Februar 1936 wurde wiederum gewählt. In den spanischen Gefängnissen saßen damals über 30 000 Gefangene, in der Mehrzahl Anarchisten. Die linken Parteien versprachen für den Fall ihres Wahlsieges, diese Gefangenen zu befreien, die Rechte drohte mit verschärfter Repression. Wenn nun die CNT ihre Anhänger wie früher zum Wahlboykott aufrief, gefährdete sie die Freiheit der 30 000 Gefangenen; wenn sie zur Stimmabgabe riet, bekannte sie sich zum allgemeinen Wahlrecht und zum Parlamentarismus, den die Anarchisten seit jeher bekämpft hatten. Durruti fand einen Ausweg aus diesem Dilemma. Der Wahlkampf hatte eine solche Schärfe angenommen, daß keine der beiden Seiten sich mit ihrer Niederlage zufriedengeben würde. Die Linke sagte, sie würde einen Sieg der Rechten mit revolutionären Mitteln beantworten; die Rechte sagte, ein Sieg der Linken würde zum Bürgerkrieg führen. Durruti zog daraus auf den Kundgebungen den folgenden Schluß: »Wir stehen also vor der Revolution oder vor dem Bürgerkrieg. Jeder Arbeiter, der wählt und sich dann ruhig an seinen Küchentisch setzt, ist ein Konterrevolutionär. Und der Arbeiter, der nicht wählt und an seinem Küchen tisch sitzenbleibt, ist nicht besser.« Die CNT vermied es also, für den Wahlboykott einzutreten. Die meisten Arbeiter gingen zur Wahl. Dadurch kam es zu einem Wahlsieg der linken Parteien. Die Rechten machten ihre Ankündigung wahr und bereiteten den Bürgerkrieg vor. Durrutis Anteil an diesem Ausgang der Wahlen war erheblich.
Alejandro Gilabert
Die CNT muß eine lebendige und starke Kraft in der Gesellschaft bleiben; denn sie allein kann garantieren, daß sich nie ein einzelner Mann, sei es der Rechten oder der Linken, zum Diktator über das Land erheben kann.
Buenaventura Durruti 1
Den Wahlsieg der Volksfront am 16. Februar 1936 hat Durruti im Gefängnis von Puerto de Santa Maria erlebt. Dort waren damals auch Companys, der spätere Präsident von Katalonien, und mehrere Mitglieder des Rates der Generalität eingesperrt. Gleich nach den Wahlen wurden sie alle durch eine Amnestie befreit.
Cronica
Die Kampfansage
Nach den Wahlen mußte sich die CNT in Barcelona zuerst mit zwei Streiks beschäftigen, die schon seit vielen Monaten andauerten: dem Streik der öffentlichen Verkehrsmittel und dem der Textilarbeiter (Rama del agua). Am 28. Februar erließ die neue Regierung ein Dekret, demzufolge alle Arbeiter, die seit dem Januar 1934 aus politischen Gründen oder wegen der Teilnahme an den Streiks entlassen worden waren, wieder eingestellt werden mußten. Viele Unternehmer weigerten sich jedoch, den Regierungserlaß zu befolgen. Die Anarchisten verlangten von der Regierung, daß sie durchgreife. Am 4. März, dem Tag nach dem Amtsantritt des Präsidenten Companys, sagte Durruti im Grand-Theater von Barcelona:
Wir sind nicht hierhergekommen, um den Tag zu feiern, an dem einige neue Herrschaften an die Macht gekommen sind. Wir sind hier, um diesen Herren von
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