Der kurze Sommer der Anarchie
Arbeiter. Da hat die CNT zum Boykott gegen die Brauerei aufgerufen. Ein paar Wirte wollten nicht mitmachen. Sie schenkten weiter Damm-Bier aus. Die bekamen Besuch: Durruti und ein paar Genossen kamen zur Tür herein, zertrümmerten die Scheiben, die Gläser und die Bar. Bald war in jeder Kneipe von Barcelona ein Schild ausgehängt, darauf stand: Hier wird kein Damm-Bier ausgeschenkt. Nach ein paar Wochen zahlte die Brauerei den Lohnausfall, stellte die Entlassenen wieder ein und handelte mit der CNT einen neuen Tarif aus.
Ramon Garcia Lopez
Die Befreiung der Arbeiter sah Durruti in ihrem wirtschaftlichen Zusammenschluß und in der direkten ökonomischen Aktion.
Seit 1933 legte er in der Propaganda besonderen Wert auf die Schaffung von Betriebskomitees; in ihrer konstruktiven Arbeit sah er die Garantie der sozialen Revolution. Auf einem großen antiparlamentarischen Meeting im Herbst 1933 sagte er: »Der Betrieb ist die Universität des Arbeiters.«
Heinz Rüdiger
Er war dafür, daß zu unserer Bewegung auch Vertreter der Mittelklasse, Studenten und Schriftsteller stießen, aber er forderte von ihnen, daß sie ihre Ansprüche auf Privilegien aufgaben, daß sie sich mit dem Volk vereinten. Eines Tages, als ich mit ihm auf dem Gefängnishof sprach, kritisierte er die absolute Wertschätzung, mit der gewöhnlich Techniker und Spezialisten betrachtet werden. Die Metallarbeiter seien durchaus in der Lage, jede beliebige Fabrik in Gang zu setzen, so wie die Maurer selbst fähig seien, ein Haus zu planen und zu errichten. Dasselbe gelte für alle anderen Gebiete.
Liberto Callejas
Der Alltag
Der Alltag in Spanien war sehr hart für mich, sehr schwer. Meinen Beruf konnte ich nicht ausüben, ich sprach ja kaum Spanisch. Ich habe dann als Putzfrau gearbeitet, bis ich mit Hilfe der Gewerkschaften eine Anstellung bekam, als Platzanweiserin in einem Kino. Das war ja damals der reinste Luxus. Und dann die Umzüge. Dauernd sind wir umgezogen, fünf oder sechs Mal allein in Barcelona. Oft war Buenaventura noch dazu im Gefängnis; ich konnte die Miete nicht bezahlen und mußte zu Freunden ziehen. Mit einem Wort, das ganze Elend der Frauen, deren Männer Berufsrevolutionäre sind.
1931 ist meine Tochter Colette zur Welt gekommen, in Barcelona, und das hat mein Leben auch nicht gerade leichter gemacht. Als dann Durruti längere Zeit im Gefängnis war, haben die Genossen eine Umlage gemacht; jeder hat ein paar Peseten beigetragen, bis wir unsere Miete zahlen konnten.
Emilienne Morin
Anfang 1936 wohnte Durruti gleich neben mir, in einer kleinen Mietswohnung im Viertel von Sans. Die Unternehmer hatten ihn auf die schwarze Liste gesetzt. Er fand nirgends mehr Arbeit. Also verdiente seine Gefährtin Emilienne als Platzanweiserin in einem Kino den Lebensunterhalt für die ganze Familie. Eines Nachmittags kamen wir zu ihm zu Besuch und trafen ihn in der Küche an. Er hatte eine Schürze vorgebunden, spülte ab und richtete für seine kleine Tochter Colette und für seine Frau das Abendessen her. Der Freund, mit dem ich gekommen war, versuchte einen Spaß zu machen: »Na hör mal, Durruti, das, was du da machst, ist aber Weiberarbeit.« Durruti antwortete ihm grob: »Nimm dir ein Beispiel dran. Wenn meine Frau arbeiten geht, mache ich das Haus sauber, richte die Betten her, koche das Essen. Außerdem bade ich meine Kleine und ziehe sie an. Wenn du meinst, ein richtiger Anarchist muß in der Kneipe oder im Cafe herumhocken, während seine Frau arbeitet, dann hast du immer noch nichts begriffen.«
Manuel Perez
Ja, die Anarchisten haben immer gern von der freien Liebe gesprochen. Aber schließlich waren sie Spanier, und es ist komisch, wenn Spanier von so etwas reden. Es paßt gar nicht zu ihrem Temperament. Sie hatten das nur aus ihren Büchern. Die Spanier hatten nie etwas übrig für die Befreiung der Frau. Nicht die Bohne. Ich kenne sie in- und auswendig, und ich sage Ihnen: die Vorurteile, die sie störten, sind sie rasch losgeworden, aber die ihnen paßten, haben sie sorgfältig gehütet. Die Frau gehört an den Herd! Von dieser Weisheit haben sie viel gehalten. Ein alter Genosse hat einmal zu mir gesagt: »Das ist ja ganz schön und gut mit euren Theorien, aber die Anarchie ist eine Sache und die Familie eine andere, so ist es und so bleibt es auch.« Mit Buenaventura habe ich allerdings Glück gehabt. Er war nicht so unterentwickelt wie die anderen. Aber er wußte ja schließlich auch, mit wem er es zu tun hatte!
Emilienne
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