Der kurze Sommer der Anarchie
hat. Die Aktiven des anarchistischen Transportarbeiter-Syndikats haben einige Schiffe überfallen, die im Hafen vor Anker liegen, und eine beträchtliche Menge von Gewehren und Pistolen geraubt. »Das ist alles, was ich weiß. Guarner hat mir Bericht erstattet. Er ist selbst, an der Spitze einer Kompanie, in das Gewerkschaftshaus eingedrungen, nachdem er vorher Wachen auf den umliegenden Dächern postiert hatte. —
Aber natürlich waren die Leute bewaffnet! Ein Glück, daß es bei einem Wortwechsel geblieben ist und daß niemand aus Versehen an den Abzugshahn gekommen ist. - Ja, Durruti und Garcia Oliver sind sogar persönlich erschienen, um die Wellen etwas zu glätten.« Guarner neigt sich zu Escofet, der einen Augenblick lang die Hand über die Muschel legt. »Sagen Sie ihm, daß die Leute von der Gewerkschaft so wütend waren, daß sie Durruti mit der Waffe bedroht haben. Seine eigenen Leute!«
»Guarner sagt mir eben, daß sie sogar Durruti aufs Korn nehmen wollten, seine eigenen Leute. Stellen Sie sich das vor! -Sie informieren also den Präsidenten. — Wie? Ja, wird gemacht. — Gut, ich sage Guarner Bescheid.« Escofet hängt ein. Er ist 38 Jahre alt, seine schwarzen Haare glänzen, sie sind in Wellen gelegt, seine Gesten sind hitzig, seine Stimme ist voller Eifer. Er sagt zu Guarner: »Ich traue denen von der FAI nicht über den Weg. Sie sind wie die Wilden hinter den Waffen her.« »Hat er sonst was Neues gesagt?«
»Ja, es sieht so aus, als stünde der Putsch für morgen früh ins Haus. Er hat ganz sichere Informationen.«
»Wissen Sie, wie mir zumut ist? Ich möchte, daß es endlich losgeht, damit wir wissen, woran wir sind.«
Luis Romero
Das Verteidigungskomitee
Wer nicht genauer hinsah, dem mochte der 18. Juli wie ein ganz gewöhnlicher Samstag erscheinen. Doch traf man, obwohl es sehr heiß war, wenig Müßiggänger, und die Badestrände blieben leer. Auffällig viele Hausfrauen waren unterwegs, um einzukaufen; in den Bäckereien ging schon am Nachmittag das Brot aus.
Im Sitz des Regionalkomitees der CNT herrscht ein fieberhaftes Kommen und Gehen. Melder aus allen Stadtteilen und aus der Umgebung treffen ein. Der Verbindungsausschuß zur Generalität tagt ununterbrochen. In einer Ecke des Lokals spricht Durruti mit Bergleuten aus Figols, die sich über die Lage informieren wollen. Durruti muß sich auf einen Stuhl stützen. Er hat eine Bruchoperation hinter sich, die noch nicht ausgeheilt ist. Eine Komplikation scheint nicht ausgeschlossen, denn er hat immer noch Schmerzen.
Ein paar Schritte weiter telefoniert Marianet mit Madrid. Ascaso wird überall gesucht, er soll sofort ins Cafe Pay-Pay kommen, es eilt... Die Aktiven aus der MetallarbeiterGewerkschaft halten Ascaso auf: »Was sollen wir tun?« Sie schlagen ihm Aktionen vor. Francisco antwortet ihnen: »Es ist noch nicht so weit. Wir müssen die Nerven behalten.«
Abel Paz
Ein Hotchkiss-Maschinengewehr, zwei tschechische Schnellfeuergewehre und zahlreiche Winchestergewehre samt großen Vorräten an Munition stehen in einer Wohnung in der Straße Pujadas Nr. 276 bereit, gleich an der Ecke der Espronceda im Viertel von Pueblo Nuevo. Dort, in der Wohnung von Gregorio Jover, ist das Verteidigungskomitee der Anarchisten versammelt.
Juan Garria Oliver, Buenaventura Durruti und Francisco Ascaso sind mit einer Verspätung von zwei Stunden erschienen. Die Versammlung, die letzte, eine Art bewaffneter Nachtwache, war für Mitternacht einberufen worden. Der Leutnant der Luftwaffe Servando Meana hat den dreien einen Wagen zur Verfügung gestellt, der sie vom Innenministerium abholte. Sie sind sehr schnell gefahren, die Waffen stets griffbereit; es war ihnen klar, daß die Verspätung die Genossen beunruhigen würde.
Vor dem Gebäude des Innenministeriums war es zu einer Art Demonstration gekommen; die Militanten der CNT verlangten nach Waffen. Garcia Oliver, Durruti und Ascaso hatten auf den Balkon hinaustreten müssen, um die Menge auf dem Palacio-Platz zu beruhigen. Garcia Oliver bat sie, die Kasernen von San Andres zu umstellen und auf den rechten Augenblick zu warten. Wenn alles nach Plan geht, werden morgen 25 000 Gewehre, MGs und vielleicht einige Geschütze in den Händen der CNT-FAI sein. Ihre Kontaktleute bei der Luftwaffe, Meana und andere Offiziere, haben bereits mit dem Oberstleutnant Diaz Sandino gesprochen, dem Befehlshaber der Luftwaffenbasis von Prat de Llobregat. Sobald die Truppen sich erheben und die Kasernen verlassen, werden die
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