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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verschaffen, daß sie mit Widerstand nicht zu rechnen haben. Die Soldaten werden voraussichtlich höchstens fünfzig Schuß Munition pro Mann mitführen. Sobald sie sich von ihren Kasernen entfernt haben, werden sie unter Beschuß genommen. Wenn ihnen die Munition ausgeht und sie sich isoliert sehen, werden sich erste Zeichen der Demoralisierung einstellen. Dann ist der Moment der Agitation gekommen. Es kommt darauf an, daß sie sich gegen ihre Offiziere wenden oder wenigstens desertieren. Was die Guardia de Asaltos betrifft, die Bereitschaftspolizei, so ist anzunehmen, daß sie Par tei für die verfassungsmäßige Regierung und gegen die Putschisten ergreifen wird; die Aktionsgruppen werden also mit ihr zusammenarbeiten. Die Haltung der Guardia Civil ist zweifelhaft; sie muß beobachtet, darf aber nur für den Fall beschossen werden, daß sie die Arbeiter angreift. In diesem Fall jedoch ist sie ebenso unbarmherzig wie das Militär zu bekämpfen. Es ist alles bedacht, diskutiert, untersucht und beschlossen. Die Mitglieder des Verteidigungskomitees der Anarchisten sind verstummt. Sie trinken große Mengen Kaffee, um sich wachzuhalten. Sie kämpfen mit ihrer Ungeduld. Jeder denkt für sich noch einmal alle Details durch. Sie kennen sich alle seit Jahren, seit Jahren haben sie gemeinsam gekämpft. Sie stehen einander nahe wie Brüder, näher vielleicht. Es kann sein, daß sie sich in dieser Nacht zum letzten Mal sehen. Francisco Ascaso raucht nervös. Er ist bleich wie immer, und wie immer liegt ein skeptisches Lächeln auf seinen kalten, schmalen Lippen. Auch Durruti scheint zu lächeln, aber trotz der dunklen, dichten Brauen, der tiefen Falte über der Nasenwurzel, der gefurchten Stirn behält sein Ausdruck etwas Kindliches. Seine grauen, lebhaften Augen wenden sich immer wieder den Waffen zu. Ricardo Sanz, groß, blond, stark gebaut, sitzt unbeweglich, fast gleichgültig da. Gregorio Jover, dem seine Backenknochen den Spitznamen »Der Chinese« eingetragen haben, wirkt chinesischer denn je; er spielt mit den Patronengurten an seiner Hüfte. Aurelio Fernandez sucht an Jovers Gesicht, wie an einem Thermometer, den Ernst der Situation abzulesen; er hat etwas hervorstehende Augen, hält sich sehr aufrecht und ist der einzige, der Wert darauf legt, gut gekleidet zu sein. Sie sind allesamt erfahrene Straßenkämpfer, Stadtguerrilleros, die mit der Pistole auf Du und Du stehen. Das Komitee hat auch zwei jüngere Mitglieder, Antonio Ortiz und »Valencia«. Der eine möchte sich unterhalten und versucht vergebens, seine schweigsamen Genossen zum Reden zu bringen; sein Haar ringelt sich zu lauter Locken. »Valencia« ist voller Stolz, daß man ihn in diese Runde aufgenommen hat. Er ist Kettenraucher und zündet eine Zigarette nach der andern an. Sie haben ihr Hauptquartier hierher verlegt, weil die meisten von ihnen in diesem Viertel wohnen. Von Jovers Wohnung aus kann man, schräg gegenüber, das Jupiter-Fußballstadion sehen. Die Straßen ringsum sind von ausgesuchten Leuten bewacht. Zwei Lastwagen stehen in der Pujadas-Straße neben dem Fußball platz bereit. Garcia Oliver wohnt nur fünfzig Meter entfernt, in der Straße Espronceda Nr. 72, Ascaso in der Straße San Juan de Malta, gleich neben der Kneipe »La Farigola«, in der vor ein paar Tagen das Plenum der Stadtteil-Komitees mit dem Verteidigungskomitee von Barcelona gemeinsam getagt hat. Durruti wohnt in Clot, weniger als einen Kilometer weit entfernt.
Eine alte Wanduhr, auf dem Trödelmarkt erworben, tickt mit quälender Langsamkeit. Ein Hotchkiss-Maschinengewehr, zwei tschechische Schnellfeuergewehre und zahlreiche Winchester-Gewehre . ..
    Luis Romero

    Zwischen elf Uhr und Mitternacht verlassen einige Gruppen das Regionalkomitee, um die Transportfrage zu regeln. Es ist unbedingt nötig, sich Autos zu verschaffen, damit die Einsatzkommandos beweglich bleiben. Eine Stunde später sieht man auf den Ramblas bereits requirierte Personenwagen vorbeifahren, die mit großen Kreidestrichen die Lettern CNT-FAI tragen. Die Arbeiter auf der Promenade begrüßen diese Wagen und rufen den Chauffeuren zu: »Viva la FAI!«
In derselben Nacht werden die Waffengeschäfte von Barcelona überfallen. Die Gruppen der Anarchisten leeren Schaufenster und Schränke und erbeuten Handfeuerwaffen und Jagdgewehre.
    Diego Abad de Santillan 2 / Abel Paz 1

    Um zwei Uhr früh erscheinen Durruti und Garcia Oliver im Polizeipräsidium. Sie fordern den Sicherheitskommissar Escofet kategorisch auf,

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