Der kurze Sommer der Anarchie
aus den Spinnereien und aus den Trambahndepots, auch Verkäufer. Es sind nicht nur Anarchisten, sondern auch Sozialisten, Katalanisten, Kommunisten dabei, Leute von der POUM, und sie alle rücken vor, auf den Cinco de Oros zu, auf die Diagonale, auf die Grenzen ihrer Viertel, werfen Barrikaden auf, überwachen die Zufahrtswege und die Kreuzungen. Die Lumpenproletarier von Karmel- Berg steigen hinunter in die Stadt und vereinigen sich mit den Anwohnern der halbfertigen Straßen, die weit draußen auf freiem Feld enden, und mit den alten Genossen aus Pöblet und Guinardö, die den großen Lehrer der Anarchisten, Federico Urales, gehört haben und seine Tochter, Federica Montseny, kennen, seitdem sie ein kleines Kind war. Die Arbeiter der Fabra y Coats y Rottier, die Mechaniker der Hispano-Suiza-Werke, die Facharbeiter der Maschinenfabrik El Maquinista vereinigen sich mit Handlangern und Arbeitslosen und dringen gegen die Kaserne und das Arsenal von San Andres vor, in dem Waffen genug lagern, um ihnen die Herrschaft über die ganze Stadt zu sichern. Nicht zu vergessen die von der Gießerei Girona, die von den Elektrizitätswerken und von den Papierfabriken, die Gas- und Chemiearbeiter aus Clot, Provensals, Llacuna und Pueblo Nuevo, die sich mit den Leuten von Barceloneta verbinden, den Fischern, den Schauerleuten, den Metallern von den Vulkan-Werken, den Eisenbahnern von der Nordbahn und den Zigeunern von Somorrostro. Alle haben die Sirenen gehört.
Die beiden Lastwagen erreichen die Straße Pedro IV. Auf den Gehsteigen auch hier Begeisterung. In den Häusern aber wohnen wohlhabende Leute, Händler, »bessere« Handwerker. Sie sehen voller Furcht diesem Wagenkorso zu. Ein Zeichen der Mißbilligung wagt niemand; sogar das Schweigen scheint ihnen zu gefährlich. Deshalb rufen sie:
»Es lebe die CNT! Tod dem Faschismus! Nieder mit der Kirche!«
Im Zentrum, in der Altstadt, wird die Entscheidung fallen. Auch dort können die Anarchisten mit Unterstützung rechnen, selbst in den bürgerlichen Vierteln wohnen viele Genossen, und die Türsteher, die Schuhputzer, die Kellner und Straßenkehrer sind ihre Anhänger.
Luis Romero
Der Straßenkampf
Juan Garcia Oliver, Francisco Ascaso, Antonio Ortiz, Jover und »Valencia« leiten die Operation gegen die Aufständischen, die auf der Kreuzung Paralelo-Ronda de San Pablo in Stellung gegangen sind. Neben einer wachsenden Zahl von mehr oder minder gut bewaffneten Arbeitern kämpfen ein Unteroffizier und zwei Mann aus der Atarazanas-Kaserne, die gegen ihre Offiziere gemeutert und ihr MG mitgebracht haben. Von der Dachterrasse des Eckhauses San Pablo aus ist es ihnen bereits gelungen, die Soldaten, die sich am San-Pablo-Tor verschanzt hatten, zurückzuwerfen. Gleichzeitig sind Jover und Ortiz mit fünfzig Mann durch den Hintereingang in das Cafe Pay-Pay eingedrungen und haben das Feuer von hier aus eröffnet. Die geschlagenen Soldaten haben sich jetzt bis zum Paralelo zurückgezogen. Sie sind hinter dem Obststand am Cabaret Moulin Rouge und auf der Terrasse des Cafes zur Ruhe in Deckung gegangen. Von hier aus beherrschen sie mit ihren MGs die ganze Paralelo-Avenue; einer Gruppe unter Francisco Ascaso, die versucht hat, bei der Conde-del-Asalto-Straße den Paralelo zu überqueren, haben sie schwere Verluste zugefügt. Schon am frühen Morgen hatten sich Garcia Oliver, Ascaso und Durruti auf den Ramblas getroffen. Es war vereinbart worden, daß Durruti mit seiner Gruppe das Hotel Falcon stürmen sollte, von dessen Fenstern aus feindliche Scharfschützen operierten; danach sollte Durruti, wenn die Situation am Theaterplatz bereinigt wäre, zum Restaurant Casa Juan vordringen und dort MGs gegen die Faschisten in Stellung bringen, die sich in der Atarazanas-Kaserne und am Friedenstor verschanzt hatten. Von der Mitte der Ramblas aus würden sie alle Querstraßen des Altstadtkerns kontrollieren. Daß sich die Truppen an der Kreuzung Paralelo-San Pablo festgesetzt haben, einem strategisch so wichtigen Punkt, ist eine unvorhergesehene Bedrohung für Garcia Olivers Plan. Er setzt deshalb alle verfügbaren Kräfte ein, um die MG-Nester der Faschisten auszuheben. Bei dem Vorstoß die Straße San Pablo entlang hatte das Kommando ein paar heikle Augenblicke zu überstehen; es mußte nämlich an der Kaserne des Grenzschutzes vorbei. Garcia Oliver ließ die ganze Umgebung absichern, um nicht in eine Falle zu geraten, und verhandelte dann mit einem Offizier und einigen Mannschaften. Er forderte sie auf
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