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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sich vor der Kirche versammelten. In einer kleinen Gruppe standen mehrere Männer zusammen. Zwei davon trugen lange Bärte und waren prächtig und reich gekleidet. Silberfäden glänzten im späten Licht. Allerdings wagten auch diese Adligen es offenbar nicht, die langen Bojarenkaftane zu tragen. Ganz nach Zar Peters Anweisung trugen sie kürzere Mäntel, die ihnen nur bis zu den Knien reichten. Unter den Kirchgängern waren Bürger und Leibeigene, die ihre Mützen abnahmen und sie an die Brust pressten, es waren Kinder dabei und Mütter, die keinen Zahn mehr im Mund hatten. Auch eine hübsche Bürgerin entdeckte Johannes. Es war eine junge Frau, die am Arm eines älteren Händlers zur Kirche ging. Sie trug ein orientalisch anmutendes Gewand mit langen bestickten Ärmeln. Als sie den Kopf wandte und Johannes ihr Profil sehen konnte, staunte er über ihr hübsches Gesicht und ihre zarte Haut. Sie hatte lange Wimpern – wie Jelena. Bei Gedanken an Jelenas Augen und ihren federnden Gang wurde die schöne Frau zu einer bemalten Maske. Mehrere bange Momente hatte Johannes Angst, dass Jelena ihn verlassen hatte und nie wiederkehren würde. Natürlich war diese Angst unbegründet. Die Russalka war ein sehr festes Band. Aber was würde geschehen, wenn die Russalkas ins Meer zurückkehrten? Die Mutlosigkeit drohte ihn zu übermannen, er wandte sich von der Kirche ab und trat zu einem Knecht, der gerade dabei war, das Pferd eines Reichen zu einem der Fässer zu führen, die als Tränken aufgestellt waren. »He!«, rief er ihm zu. »Gibt es eine Herberge hier?«
    Der Knecht runzelte die unglaublich zerfurchte Stirn. »Da drüben«, brummte er und deutete mit dem Kopf zu den Gassen neben der Kirche. »Bei Kolja.«
    Johannes umging die engste Gasse, die in der Sommersonne stank, und fand schließlich ein wuchtiges Holzhaus in einem viel zu kleinen Hof. Ein Stall war auf abenteuerliche Weise zwischen dem Gebäude und dem Nebenhaus eingekeilt. Schnauben und Scharren darin ließen vermuten, dass Gäste in der Herberge waren. Es war ein großes Haus, vielleicht gehörte es einem verarmten Bürger, der sich mit der Vermietung von Räumen etwas dazuverdiente.
    Johannes lugte in den Stall und fand tatsächlich vier Pferde und einen Stallknecht, der ihm zwar auf seine Frage nach Kolja nicht antwortete, ihn aber mit einer Geste zum Haus schickte. Die Tür stand offen. Johannes trat ein und sah sich einem Zahnlosen gegenüber, der am Tisch Kartoffeln schälte. »Bin ich bei Kolja?«, fragte er. »Ich suche eine Unterkunft.«
    Der Alte warf das Messer hin und schoss unglaublich behände in die Höhe. »Herein, der Herr!«, lispelte er. »Eine Nacht in meinem Haus? Ich habe viele Gäste heute, aber ein Plätzchen findet sich.«
    Das Plätzchen war ein dunkler Verschlag im hinteren Teil des Hauses. Johannes betrachtete das Fenster und schätzte ab, ob es groß genug war, um sich, wenn nötig, hindurchzuzwängen. Immerhin stand eine breite, stümperhaft zusammengenagelte Bettstatt darin und Kolja wurde nicht müde zu grinsen, als Johannes ihm bedeutete, dass er das Zimmer nehmen würde. Kaum hatte Kolja die schartige Tür geschlossen, atmete Johannes auf. Nachdem er die verschlissene Decke vom Bett genommen und seine eigene darübergebreitet hatte, setzte er sich auf den Strohsack, der als Unterlage diente, und stützte den Kopf in die Hände. Blitze leuchteten hinter seinen geschlossenen Lidern auf und die Müdigkeit ergriff von ihm Besitz. Das Schlimmste war das Gefühl der Leere und Verzweiflung in seiner Brust – die Sehnsucht nach Jelena und das Gefühl eines großen Verlustes. Obwohl es paradox erschien, war der Schmerz, sich von Christine zu trennen, ein Nichts gegen die Aussicht, Jelena nie wieder zu küssen, ein lächerliches Staubkorn in einem Strom aus Gefühlen. Er hatte es verdorben und Jelena verloren, bevor er die Möglichkeit gehabt hatte, sie zu gewinnen. Mühsam nahm er sich zusammen und rieb die Augen, bis das Pochen in seinen Schläfen ein wenig nachließ. Die Russalkas, die Stadt und Zar Peter – darum ging es jetzt!
    Bevor er sich wieder auf den Weg machte, steckte er Kolja einige Münzen zu, nahm einen Krug mit wässrigem Kwass entgegen und hörte sich ein paar Sätze über die Stadt an, ein paar Gerüchte über Sankt Petersburg und über den Zaren, ein paar Bemerkungen zu den vielen Ausländern, die hier Station machten, bevor sie in Richtung Newa weiterreisten. Nach Karpakow fragte er nicht, es war ohnehin

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