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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sich das Schlimmste vor, was passieren konnte – schwer war das nicht. Dann würde Derejew dafür sorgen, dass er das Ende des Monats nicht mehr erlebte. Seine Hand zitterte ein wenig, als er Jelena das Säckchen mit der Perle abnahm. Ihre Hände berührten sich und er spürte, dass ihre Haut eiskalt war. »Hast du Angst?«, fragte er leise.
    »Bin ich aus Holz?«, erwiderte sie. »Natürlich – ich fürchte mich zu Tode, wenn du es genau wissen willst. Vielleicht … ist dieser Abend unser letzter.«
    Sie sahen sich einen Moment an, dann beugte sie sich zu seiner Überraschung vor und umarmte ihn lange. »Bitte, gib auf dich Acht, Brehmow«, flüsterte sie. Er erwiderte ihre Umarmung, erleichtert, beinahe glücklich über die Nähe, die plötzlich wieder zwischen ihnen bestand – eine andere Nähe als zu Jewgenij, aber er hätte sie nicht mehr eingetauscht.
    Nach einer Weile machte sie sich sanft los und holte etwas unter ihrem Hemd hervor. Es sah aus wie ein schwarzer Lappen. »Ruß! Ich habe die Zeit in der Kirche genutzt. Ruß kann man immer brauchen.« In der Dunkelheit erahnte er ihr Grinsen. »Am besten du ziehst dein Hemd aus. Du leuchtest damit wie ein Banner.«
    Es war kalt in der Nacht. Jelena nahm den Lumpen und rieb seine Wangen, seinen Rücken und seinen Oberkörper ein. Dunkle Schlieren wurde zu einer wolkigen dunkelgrauen Fläche. Eine wunderbare Tarnung. Johannes konnte seinen ausgestreckten Arm nur noch schwer vom dunklen Hintergrund unterscheiden.
    »So«, meinte Jelena schließlich. »Wir treffen uns wieder an der Kirche – wenn dort nicht, dann in unserem Zimmer.«
    »Wie komme ich aufs Dach?«, fragte er heiser.
    »Am besten ohne Schuhe«, antwortete sie.
    Es war nicht so schwer, wie er gedacht hatte. Der Stall war an einigen Stellen schadhaft und mit Brettern so stümperhaft ausgebessert, dass Johannes guten Halt fand.
    Trotzdem wurde ihm übel, als er nach unten sah, wo das blasse Oval von Jelenas Gesicht in der Dunkelheit trieb. Sie winkte ihm ein letztes Mal zu, dann verschwand sie zum vorderen Teil des Hauses. Er tastete sich mit bloßen Füßen und von Holzspänen zerschrammten Fingern weiter. Schon glaubte er sich nah genug am Fenster, als er abrutschte. Mit einem Knacken brach ein morsches Stück Dach. Trappeln und Wiehern erklang aus dem Stall. Mit einem schlaftrunkenen Grunzen fuhr der Knecht hoch. Johannes blieb beinahe das Herz stehen. Gehetzt sah er sich um und überlegte, ob er einfach springen sollte. Im nächsten Moment hörte er einen dumpfen Schlag, dann war Stille.
    Jelena erschien und gebot ihm mit einem aufgeregten Winken weiterzuklettern. In ihrer Hand hatte sie ein Holzscheit. Johannes’ Finger waren taub, so fest klammerte er sich an den Fensterladen, nun tastete er sich zaghaft weiter. Ihm war schwindlig vor Angst, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Zum Glück machte der Holzladen kein Geräusch, sondern schwang ohne ein einziges Knarren oder Quietschen auf. Da war das Zimmer. Wie Jelena gesagt hatte, standen Kisten darin. Es kostete ihn alle Kraft, sich abzustoßen und an dem hölzernen Sims hochzuziehen. Ächzend wand er sich nach oben, bis er mit dem Bauch auf dem Sims lag. So verharrte er und wartete ab, aber es schien wirklich niemand im Raum zu sein. Flink zog er die Beine nach und glitt in das Zimmer. Es war klein, eine Kammer nur, und Johannes blieb stehen und atmete durch, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Nach und nach konnte er weitere kantige Umrisse ausmachen. Er ging von Kiste zu Kiste und befühlte sie in der Hoffnung, die Intarsien auf dem Deckel zu ertasten, doch er fand nichts. Ein paar der Truhen waren mit Stoff oder Leder bespannt, die meisten jedoch aus grobem, schlecht eingelassenem Holz gefertigt. Einige ließen sich öffnen, aber darin fand er nichts außer Stoffe, Pelze und schwere Gegenstände, die in Lederlappen gewickelt waren. Es mochten Kelche oder Kerzenleuchter sein.
    Vorsichtig tastete er sich zur Tür weiter und lauschte, bevor er sie behutsam einen Spalt aufzog. Auch dieser Raum war leer. Es war das Herrenzimmer! Auf einem schmalen, hüfthohen Schrank waren Gegenstände angeordnet wie auf einem Altar. War es die Ikonenecke, die in jedem Haus stand? Nein – auf einer bestickten Decke lag ein einfaches, abgegriffenes Messer. Seine Klinge glänzte im Licht einer Kerze. Sie stak in einem prächtigen, silbernen Kerzenleuchter und war beinahe heruntergebrannt. Johannes überlief es eiskalt. Es sah aus

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