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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Johannes lächeln. Katka gab eine gute Hexe ab. Wieder kam er sich vor wie ein Idiot – und war trotzdem unendlich erleichtert. Mit einem Mal war das irritierende Gefühl, das ihn die letzten Tage beunruhigt hatte, verschwunden. Seine Gefühle hatten ihm keinen Streich gespielt. Nun bekam alles einen Sinn. Er beugte sich leise hinunter und stahl seinen Kuss. Es war anders als bei Christina. Um so viel anders, dass das Bild der Kaufmannstochter einfach zu Asche zerfiel und verwehte. Das fremde Mädchen regte sich, blinzelte. Im nächsten Moment zuckte es zurück, als hätte es sich an Johannes verbrannt. Johannes machte sich bereit eine Ohrfeige oder – viel wahrscheinlicher – einen Fausthieb in Empfang zu nehmen, doch das Mädchen, das seinem besten Freund Jewgenij so ähnlich sah, starrte ihn nur an. In Johannes’ Magen sprang etwas hin und her und flatterte bis in seine Kehle hoch. Er war diebisch glücklich. Und wenn sie ihm die Nase dafür brechen sollte, er würde sein ganzes Leben nicht bereuen sie geküsst zu haben.
    »Jelena«, sagte er. »So heißt du in Wirklichkeit.«
    Sie griff an ihr Hemd, zog es um ihren Körper, als könnte sie jetzt noch etwas verbergen. Diese Geste kannte Johannes an ihr nicht und er betrachtete sie staunend, ein irritierendes Doppelbild seines besten Freundes und eines Mädchens mit langen Wimpern.
    »Ich …«, brachte sie hervor, dann brach sie ab und presste die Lippen aufeinander, ganz und gar Enttäuschung. Auf der Stelle tat es Johannes Leid, sie in diese Situation gebracht zu haben. Er hatte erwartet Jewgenij vor sich zu haben – den Jungen mit der scharfen Zunge, aber ohne die Maske des ruppigen Fischers wirkte der Mensch hier in die Enge getrieben wie ein gefangenes Tier. Langsam legte sich die Euphorie und Ernüchterung umspülte ihn. Ihm dämmerte, wie viel sich verändert hatte – in diesem flüchtigen Augenblick. Zum ersten Mal erlebte Johannes seinen Freund sprachlos.
    »Der … Verband«, sagte er entschuldigend. »Ich sah ihn und dachte …« Die Stille bekam das Gewicht eines Bleiklotzes, bis Johannes sich räusperte und wieder zu sprechen begann. »Jewgenij …«
    »So hieß mein Bruder«, antwortete sie barsch. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Soldaten haben ihn getötet. Wie meine Mutter und meine Schwestern … ich bin er, verstehst du?«
    Johannes biss sich auf die Unterlippe. Der Schmerz in ihrer Stimme schnürte ihm die Kehle zu. Gerne hätte er sie in den Arm genommen, sie beschützt vor ihren Erinnerungen, aber er wagte nicht sich zu rühren. »Wie bist du entkommen?«, fragte er nach einer Weile.
    Jelena lachte, aber jetzt klang es nicht so rau und kehlig wie sonst. »Du lernst schnell, auf jeden Baum zu klettern, wenn dich die Soldaten suchen.«
    »Zar Peters Soldaten?«
    »Russen oder Schweden – was macht es für einen Unterschied? Wenn sie trunken von Blut und Schnaps sind, gleichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Als Jewgenij war es einfacher … zu überleben.«
    »Warum hast du es mir nicht gesagt? Vertraust du mir nicht?«
    »Vertrauen?«, stieß Jelena hervor. Endlich blitzte Jewgenij wieder hervor – Wut funkelte in den braunen Augen. »Brehmow, besteht dein Kopf aus Holz? Wenn ich jemandem vertraue, dann dir! Aber du siehst doch, es verändert alles.«
    »Was verändert es?«, gab Johannes hitzig zurück. »Du bist derselbe …«
    Er stockte und Jelena konnte sich ein spöttisches Lachen nicht verbeißen. »Derselbe. Du hast es genau getroffen.« Sie stand auf und begann damit, sich die Heuhalme vom Hemd zu klopfen. »Für dich bin ich Jewgenij, hörst du? Und im Moment heiße ich ohnehin Alexej Sergejewitsch Palot.« Sie lächelte bitter. »Unser Weg ist vorgezeichnet. Wenn es uns gelingt, die Stadt zu retten, dann werde ich Fische fangen – an der Newa oder anderswo. Du wirst deine Christinka aus Moskau holen und sie heiraten. Du wirst Zar Peters Schiffe bauen und …«
    »Nein«, schrie Johannes. Überrascht hielt Jelena inne. Beide lauschten sie, ob sich Schritte der Hütte näherten, ob ein Hund bellte, aber nichts rührte sich. Johannes zitterte, doch nicht aus Angst davor, entdeckt zu werden. »Vielleicht hast du Recht«, sagte er verzweifelt. »Es hat sich alles verändert. Ich kann dich Jewgenij nennen, trotzdem bist du Jelena. Ja, ich habe von Christine gesprochen, aber es hat mich verwirrt, dass du mir viel wichtiger warst als sie.« Hastig suchte er nach den richtigen

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