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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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steht.«
    Der Alte schwankte wie unter einem Hieb, aber nach einer Weile machte er den Mund zu, wischte sich mit müder Hand über die Stirn und nickte. »Ja«, flüsterte er. »Ja, ja. Ich habe auf dich gewartet. So viele Nächte ohne Schlaf. Ich wusste, du würdest kommen, um meine Frage zu beantworten.«
    Johannes nickte. »Darum bin ich hier.«
    »Warum musste es Sergej sein?«, rief der Alte.
    Johannes zuckte zusammen, aber niemand schien den Ruf gehört zu haben – oder die Diener waren es gewohnt, dass ihr Herr betrunken herumschrie. »Warum nicht er?«, erwiderte Johannes geistesgegenwärtig.
    Zorn glomm in den alten, erloschenen Augen auf. »Das passt zu dir«, sagte Karpakow bitter. »Du warst es, der ihn verführt hat, in der Kremlgarde zu dienen. Und nun verspottest du mich und willst, dass ich mir selbst die Wunden aufreiße und sie mit Salz bestreue. Nun, das wird dir nicht gelingen. Es kostet mich nicht meine Seele, über Sergej zu reden, längst nicht mehr.«
    Johannes schwieg, was Karpakow zu genügen schien. Der Bojar betrachtete abwesend den Boden vor sich und erinnerte in erstaunlicher Weise an Mitja. Karpakow war wahnsinnig, erkannte Johannes. Oder zumindest so betrunken, dass er dem Wahnsinn nahe war. Trotzdem konnte er nicht anders als den Alten für seinen Mut zu bewundern. Egal wie viel Branntwein in seinen Adern fließen mochte – mit dem Teufel hätte sich nicht jeder angelegt.
    »Das Messer«, krächzte er nun. »Dort draußen auf dem Schrank. Das ist alles, was mir von ihm geblieben ist. Er war wie ein Sohn für mich. Nach dem Aufstand haben sie ihn durch die Straßen von Moskau geschleift und nach Bebraschenskoje ins Verlies gebracht. Er wurde ausgepeitscht und gebrannt. Wieder und wieder wurde er gefoltert. Von ihm wollte der Zar hören, wer die anderen Verschwörer waren.« Er stöhnte auf und sank ächzend in sich zusammen, bis er plötzlich auf dem Boden kniete. »Es war dein Werk – er war nicht schuldig, das weißt du! Was haben wir alles bezahlt, um meinen Neffen zu befreien – um ihm zumindest die Folter zu erleichtern! Aber nichts! Nach der Folterung brachten sie ihn halb tot zum Arzt. Der Zar ließ gut für ihn sorgen – nur um ihn wieder foltern zu können. Schließlich gelang es ihm, an ein Messer zu kommen. Damit wollte er sich im Gefängnis umbringen, aber er war so entkräftet, dass er sich nicht töten konnte. Begreifst du das? Dass ein Christenmensch sich umbringen will, dass er den Tod wählt von eigener Hand?« Er schluchzte auf.
    Johannes schluckte. Ihm schauderte, als er an die Waffe dachte, die wie eine Reliquie auf dem Schrein lag. So bekam das Ganze einen Sinn, vor allem sein Wunsch, den Zaren zu vernichten. Karpakow hatte bei dem Strelizenaufstand einen Verwandten verloren. Seinen Neffen, der ihm offensichtlich viel bedeutet hatte.
    »Seine Frau hat sich umgebracht, als sie von seinem Tod erfuhr«, fuhr der Alte nun fort. »Marija – wie gut sie war! Wie verzweifelt! Du hast ihr die Hand geführt. Dabei hätte sie leben können. In die Verbannung wäre sie geschickt worden mit ihrem Bruder, der noch ein Kind war.«
    »Derejew?«, rutschte es Johannes heraus. Karpakows Blick war Antwort genug.
    »Hast du dich an Sergejs Blut gelabt?«, fragte der alte Mann. »Und an Marijas Qualen?«
    Johannes schwieg, aber er schloss seine Hand fester um die Ikone, die er instinktiv hinter seinem Rücken verborgen hielt.
    »Nun?«, fragte Karpakow. »Hat es dem Teufel die Sprache verschlagen?« Hass sprühte in seinem Blick.
    »Du redest genug für uns zwei«, gab Johannes düster zurück.
    »Du bist gierig«, zischte der Bojar. »Du denkst, du wirst mich holen heute Nacht?« Das Grinsen, das einer verzerrten Grimasse glich, machte ihn hässlich. »Nicht heute.«
    Johannes erahnte die Bewegung und reagierte lange, bevor Karpakow mit einem Satz aufsprang. Ein gebogener Dolch blitzte auf. Johannes keuchte und warf sich zur Seite. Mit einem Krachen prallte Karpakow gegen das Bett und brüllte auf. Eine heiße Welle von Panik ließ Johannes blitzartig handeln. Ohne sich zu besinnen schlug er mit der Ikone zu. Der Rahmen krachte gegen Karpakows Schläfe. Wie ein Sack fiel der Wahnsinnige aufs Bett. Der Dolch, den er immer noch in der Hand hielt, bohrte sich in die prächtige Decke.
    Nach Luft ringend sah Johannes auf ihn hinab. Karpakow atmete, aber aus einer Platzwunde an seinem Kopf sickerte Blut. Stimmen ertönten, ein gellender Ruf erklang, natürlich hatte man unten

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