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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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kriegte nicht den Preis, den ich mir vorgestellt hatte, also willigte ich ein und vermietete es an Angela und Robert für fünf Pfund die Woche.«
    »Eine sehr niedrige Miete, Mr. Somerset«, unterbrach Wexford ihn, »Sie hätten mindestens doppelt so viel bekommen können.«
    Somerset zuckte die Achseln. Ohne zu fragen, füllte er ihre Gläser nach. »Anscheinend waren sie sehr schlecht dran, und schließlich war sie meine Kusine. Ich habe so meine albernen altmodischen Ideen, von wegen daß Blut dicker ist als Wasser, Mr. Wexford, und die kann ich nicht abschütteln. Ich hatte ja nichts dagegen, ihnen das Haus für eine minimale Miete möbliert zu überlassen. Allerdings hatte ich was dagegen, daß Angela mir ihre Stromrechnung zum Bezahlen schickte.«
    »Darüber hatten Sie natürlich keine Vereinbarung getroffen?«
    »Natürlich nicht. Ich bat sie, herzukommen, um darüber zu reden. Nun ja, sie kam her und leierte mir das alte rührselige Lied vor, das ich von ihr schon kannte, über ihre Armut, ihre schwachen Nerven und ihre unglückliche Jugend mit einer Mutter, die sie nicht auf die Universität gehen lassen wollte. Ich legte ihr nahe, sie solle sich doch einen Job suchen, wenn das Geld bei ihnen so knapp wäre. Sie war schließlich eine ausgebildete Bibliothekarin, und sie hätte leicht eine Stellung in der Bibliothek von Kingsmarkham oder Stowerton finden können. Sie berief sich auf ihren Nervenzusammenbruch, dabei kam sie mir vollkommen gesund vor. Ich glaube, sie war einfach faul. Jedenfalls erklärte sie mir wütend, ich sei ein Geizkragen, und stürmte aus dem Haus. Weder sie noch Robert habe ich bis vor etwa anderthalb Jahren wiedergesehen. Bei dieser Gelegenheit haben sie mich aber nicht bemerkt. Ich war mit einer Bekannten in Pomfret, und ich sah Robert und Angela durch die Fenster eines Restaurants. Es war ein sehr teures Restaurant, und sie schienen sich’s wohl sein zu lassen, also schloß ich, daß es ihnen finanziell wohl um einiges besser gehen müßte.
    Tatsächlich sind wir uns nur noch einmal begegnet. Das war im letzten April. Und zwar liefen wir uns in Myringham in dieser überdimensionalen Scheußlichkeit über den Weg, die die Planer so selbstgefällig Einkaufszentrum nennen. Sie waren über und über mit Zeug beladen, das sie gekauft hatten, aber trotz der Tatsache, daß Robert diesen neuen Job gefunden hatte, schienen sie deprimiert. Vielleicht war es ihnen auch bloß peinlich, mir so plötzlich persönlich gegenüberzustehen. Ich habe Angela dann nie wiedergesehen. Sie schrieb mir vor etwa einem Monat, sie würden das Haus aufgeben, sobald sie eine Wohnung in London gefunden hätten, und das wäre wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres.«
    »Waren die beiden ein glückliches Paar?« fragte Burden, als Somerset schwieg.
    »Sehr, soweit ich das beurteilen konnte.« Somerset stand auf, um die Glastür zu schließen, denn die Dämmerung setzte ein, und ein leichter Wind hatte sich erhoben. »Sie hatten so vieles gemeinsam. Klingt es sehr gehässig, wenn ich sage, das, was sie gemeinsam hatten, waren Verfolgungswahn, Habgier und die fixe Idee, daß die Welt ihnen etwas schuldete? Es tut mir leid, daß sie tot ist, es tut mir immer leid, wenn ich höre, daß jemand auf solche Weise gestorben ist, aber ich kann nicht behaupten, daß ich sie mochte. Männer können von mir aus so linkisch und stur sein, wie sie wollen, aber bei Frauen mag ich doch ein bißchen Charme – Sie nicht auch? Ich will ja nicht übertreiben, aber manchmal dachte ich, Robert und Angela kämen deshalb so gut miteinander aus, weil sie sich in ihrem Mangel an Charme gegen den Rest der Welt verschworen hatten.«
    »Sie haben uns sehr geholfen, Mr. Somerset«, sagte Wexford, mehr der Form halber als aus Überzeugung. Somerset hatte ihm zwar vieles erzählt, was ihm neu war, aber hatte er ihm irgend etwas Wesentliches erzählt? »Ich bin überzeugt, Sie verstehen es nicht falsch, wenn ich Sie frage, was Sie gestern nachmittag gemacht haben?«
    Er hätte schwören können, daß der Mann stutzte. Es war, als hätte er sich bereits zurechtgelegt, was er antworten wolle, müsse sich aber doch aufraffen, diese Antwort zu geben. »Ich war allein hier. Ich habe mir gestern den Nachmittag freigenommen, um alles für die Heimkehr meiner Frau vorzubereiten. Ich war leider ganz allein und habe keinen Besuch gehabt, also kann das auch niemand bezeugen.«
    »Na schön«, meinte Wexford, »das ist nicht zu ändern. Wissen Sie

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