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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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des Ersischen, des schottischen Gälisch sowie des Kornischen und über ihre gemeinsame keltische Abstammung. Der Preis betrug fast sechs Pfund, und er fragte sich, wieso Leute, die so arm waren, wie die Hathalls es von sich behaupteten, so viel Geld ausgaben für etwas, das ihren Verstand gewiß genauso überstieg wie seinen eigenen.
    Er hatte das Buch noch in der Hand, als Hathall ins Zimmer trat. Er sah, wie der Mann argwöhnisch den Blick darauf heftete, um ihn dann abrupt abzuwenden.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie ein Student der keltischen Sprachen sind, Mr. Hathall«, sagte er wohlgelaunt.
    »Das war Angela. Ich weiß nicht, woher das stammt, aber sie hatte es schon seit einer Ewigkeit.«
    »Merkwürdig, wo es doch erst in diesem Jahr herausgekommen ist. Aber ist ja egal. Ich dachte, es interessiert Sie, daß man Ihren Wagen gefunden hat. Er ist in London abgestellt worden, in einer Seitenstraße in der Nähe der Wood Green Station. Kennen Sie sich aus in diesem Bezirk?«
    »Bin nie dort gewesen.« Hathalls Blick kehrte angelegentlich und mit einer Art widerwilliger Faszination oder sogar mit Besorgnis zu dem Buch zurück, das Wexford noch immer in der Hand hielt. Und genau aus diesem Grund beschloß Wexford, es auch weiterhin in der Hand zu behalten und auch nicht den Finger herauszuziehen, den er aufs Geratewohl zwischen die Seiten gelegt hatte, als wolle er eine Stelle markieren. »Wann bekomme ich es wieder?«
    »In zwei, drei Tagen. Wenn wir es uns genau angesehen haben.«
    »Sie meinen wohl, auf die berühmten Fingerabdrücke hin untersucht haben, auf die Sie immer so scharf sind, was?«
    »Bin ich das, Mr. Hathall? Schieben Sie mir da nicht Ihre eigenen Gefühle unter?« Wexford blickte ihn ausdruckslos an. O nein, er würde die Neugier dieses Mannes nicht befriedigen, obgleich schwer zu sagen war, worauf Hathall am meisten aus war: auf die Mitteilung, was die Fingerabdrücke ergeben hatten? Oder darauf, daß er dieses Buch gleichgültig weglegte, als sei es ohne Bedeutung? »Sie sollten aufhören, sich um Untersuchungen zu kümmern, die nur wir durchführen können. Vielleicht erleichtert es Sie ein wenig, wenn ich Ihnen berichte, daß Ihre Frau nicht sexuell mißbraucht worden ist.« Er wartete auf ein Anzeichen der Erleichterung, aber er sah nur, wie jene Augen mit dem rötlichen Schimmer erneut einen hastigen Blick auf das Buch warfen. Ebensowenig reagierte Hathall, als Wexford sich zum Gehen anschickte und sagte: »Ihre Frau war sehr schnell tot, in weniger als fünfzehn Sekunden. Es ist möglich, daß sie kaum gemerkt hat, was mit ihr geschah.«
    Er stand auf, zog den Finger aus den Seiten des Buches und legte eine Klappe des Schutzumschlages dorthin, wo er gesteckt hatte. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mir das hier für ein paar Tage ausleihe, nicht wahr?« sagte er, und Hathall zuckte nur stumm mit den Schultern.

7
    Die gerichtliche Untersuchung fand am Dienstag vormittag statt, und die Anklage lautete auf Mord durch einen oder mehrere Unbekannte. Danach, als Wexford den Platz zwischen dem Geschworenengericht und dem Polizeipräsidium überquerte, sah er, wie Nancy Lake auf Robert Hathall und seine Mutter zuging. Sie sprach mit Hathall, kondolierte ihm vielleicht oder bot ihm an, sie in ihrem Wagen nach Hause zu fahren. Aber Hathall antwortete äußerst knapp und scharf, nahm den Arm seiner Mutter, schritt hastig davon und ließ Nancy stehen. Sie legte hilflos eine Hand an die Lippen. Wexford hatte die kleine Pantomime, die sich außer seiner Hörweite abspielte, beobachtet. Er näherte sich eben dem Ausgang des Parkplatzes, da stoppte ein Wagen neben ihm, und eine angenehme, vibrierende Stimme sagte:
    »Sind Sie sehr, sehr beschäftigt, Chief Inspector?«
    »Warum fragen Sie, Mrs. Lake?«
    »Nicht, weil ich Ihnen irgendwelche faszinierenden Anhaltspunkte liefern könnte.« Sie streckte die Hand aus dem Fenster und winkte ihn heran. Es war eine aufreizende und verführerische Geste. Er fand sie unwiderstehlich, trat an den Wagen und beugte sich zu ihr hinunter. »Die Sache ist die«, sagte sie, »ich habe im Peacock in Pomfret einen Tisch für zwei Personen reservieren lassen, und mein Begleiter hat mich schmählich versetzt. Würden Sie es für sehr verwegen halten, wenn ich statt dessen Sie bitte, mit mir zu essen?«
    Es verschlug ihm die Sprache. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, diese reiche, hübsche, durch und durch charmante Frau machte ihm Avancen – ihm! Ja, allerdings,

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