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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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er denn letzten Freitag?«
    »Na, so wie immer. Ganz genau so wie immer. Das hab ich ja schon einem anderen Polizisten erzählt. Ich weiß nicht, was das soll, dieselbe Sache immer und immer noch mal zu sagen. Er war eben einfach so wie gewöhnlich. Er kam kurz vor zehn hier an und war den ganzen Vormittag hier. Er hat die Details von so ‘ner Art Plan von ‘ner privaten Krankenhausversicherung ausgearbeitet, für die aus der Mannschaft, die so was wollen. Na ja, Versicherung eben.« Auf Lindas Gesicht malte sich ihre Verachtung für Leute, die es sich nicht leisten konnten, ihre Privatbehandlungen selbst zu bezahlen. »Er rief seine Frau kurz vor eins an, und dann ist er mit Jason zum Essen in ein Restaurant gegangen. Sie waren nicht lange weg. Ich weiß, er war gegen halb drei wieder hier. Er hat mir drei Briefe diktiert.« Ihrem Tonfall nach war das eine Zumutung gewesen. »Und weggegangen ist er um halb sechs, um sich mit seiner Mutter zu treffen und mit ihr sonstwohin zu fahren, irgendwo nach Sussex, wo er wohnt.«
    »Wurde er hier je von Frauen oder einer bestimmten Frau angerufen?«
    »Seine Frau hat ihn nie angerufen.« Dann begriff sie langsam, was er meinte, und sie starrte ihn an. Sie gehörte zu den Leuten, die so beschränkt sind, deren Vorstellungsvermögen so begrenzt ist, daß jede Anspielung auf etwas Ungewöhnliches in puncto Sex oder gesellschaftlichem Verhalten bei ihnen nervöses Kichern auslöst. Sie kicherte also. »Eine Freundin, meinen Sie? Nein, so eine hat ihn nicht angerufen. Überhaupt hat nie jemand ihn angerufen.«
    »War er von einem der Mädchen hier besonders angezogen?«
    Sie blickte verständnislos drein und wich leicht zurück. »Die Mädchen hier!«
    »Na ja, es sind doch schließlich fünf Mädchen hier, Miss Kipling, und nach den dreien von ihnen zu urteilen, die ich gesehen habe, sind sie ja nicht gerade abstoßend. War Mr. Hathall mit irgendeinem Mädchen hier besonders befreundet?«
    Die grünen Fingernägel gerieten in aufgeregte Bewegung. »Sie meinen – ein Verhältnis? Sie meinen, ob er mit einer von uns geschlafen hat?«
    »Wenn Sie es so ausdrücken wollen. Schließlich war er ein einsamer Mann, immer zeitweise getrennt von seiner Frau. Ich nehme an, Sie waren am Freitag nachmittag alle hier, keine unterwegs zum Friseur oder zu einer Hochzeit?«
    »Natürlich waren wir alle hier! Und was das angeht, von wegen Bob Hathall und ein Verhältnis mit einer von uns, so dürfte es Sie interessieren, daß June und Liz verheiratet sind, Clare ist mit Jason verlobt, und Suzanne ist Lord Carthews Tochter.«
    »Schließt das aus, daß sie mit einem Mann schläft?«
    »Es schließt aus, daß sie mit jemandem von Bob Hathalls – äh, Sorte schläft. Und das gilt für uns alle. Wir sind vielleicht ›nicht gerade abstoßend‹, wie Sie es nennen, aber so tief sind wir noch nicht gesunken!«
    Wexford sagte guten Morgen und ging hinaus. Es tat ihm sogar leid, daß er ihr auch nur dieses eine widerwillige Kompliment gemacht hatte. Am Piccadilly betrat er eine Telefonzelle und wählte die Nummer von Craig und Butler, Gray’s Inn Road, Wirtschaftsprüfer. Mr. Butler, so wurde ihm gesagt, sei zur Zeit beschäftigt, sei aber gern bereit, ihn am Nachmittag um drei Uhr zu empfangen. Wie sollte er die Zeit bis dahin ausfüllen? Inzwischen hatte er zwar Mrs. Eileen Hathalls Adresse herausgefunden, aber Croydon war zu weit weg, in der Zeit bis drei Uhr einen Besuch dort einzuschieben. Warum nicht noch ein wenig mehr über Angela selbst in Erfahrung bringen, sich ein wenig Hintergrund verschaffen von dieser Ehe, von der alle sagten, sie sei glücklich gewesen, die aber doch mit einem Mord geendet hatte?
    Er blätterte das Telefonbuch durch und fand, was er suchte: The National Archaeologists’ League Library, 17 Trident Place, Knightsbridge SW 7. Entschlossen ging er zur U-Bahn-Station Piccadilly Circus hinüber.
    Trident Place war nicht leicht zu finden. Obgleich er, verborgen in der Telefonzelle, den Stadtplan konsultiert hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn unter den Blicken von weltgewandten Londonern noch einmal aufzuschlagen. Gerade als er sich innerlich einen Idioten schalt, so gehemmt zu sein, wurde er belohnt durch den Anblick der Sloane Street, von der laut Stadtplan Trident Place abzweigte.
    Es war eine breite Straße mit vierstöckigen, viktorianischen Häusern, alle sehr hübsch und wohlgepflegt. Nummer sieben hatte eine schwere, zweiflügelige Glastür mit

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