Der Kuss der Sirene
förmlich alles entgegenspringt.«
»Deine Grandma ist echt nett. Ich kann mir das richtig ausmalen, wie sie in ihrem Fernsehsessel sitzt, inmitten von lauter selbst gemachten Kissenbezügen«, sagt Kristi.
»Komm doch mal vorbei!«, erwidere ich ganz spontan. »Sie würde sich bestimmt freuen, dich wiederzusehen. Und ich bin sicher, du bekommst ein entzückendes Abschiedsgeschenk von ihr.«
Sie lacht wieder. »Ja, auf jeden Fall.«
Ich will die Hoffnung, die in mir wächst, zurückdrängen, aber ich schaffe es nicht. Ich will meine Freunde zurück.
Kapitel 16
Ich verbringe ganze zwei Stunden damit, das Haus sauber zu machen. Ich sauge die Teppiche, reinige die getäfelten Wände mit süà duftendem Seifenöl, wische den marmorierten Küchentresen ab und schrubbe das alte rosa Keramiktoilettenbecken. Ich putze sogar die Dusche, obwohl Sienna sie bestimmt nicht benutzen wird.
Ich benehme mich, als wäre der DVD -Abend so etwas wie ein Date. Ich weià nicht, ob mein Verhalten meiner GroÃmutter verdächtig vorkommt, denn sie sagt nichts dazu. Sie sitzt einfach in ihrem Fernsehsessel, zappt durch die Sender und schaut mich ab und zu an, wenn ich vorbeilaufe.
Kurz vor sechs hat mich die Kaminwärme derart zum Schwitzen gebracht, dass ich schnell unter die Dusche springe. Wenige Minuten später ziehe ich eine Jeans und ein Vintage-T-Shirt an, bürste mein Haar und laufe durch den Flur über den frisch gesaugten Teppich, der sich weich unter meinen nackten FüÃen anfühlt.
Ich hoffe, ich sehe okay aus. Ich habe mich schon lange nicht mehr angestrengt, gut auszusehen. Als ich am Wohnzimmer ankomme, traue ich meinen Augen nicht. Sienna sitzt bereits auf dem Sofa und unterhält sich lachend mit meiner GroÃmutter.
Sie sehen beide ganz verändert aus. Grandma strahlt. Sienna kichert, sie kommt mir so unbeschwert vor.
Sienna blickt mich freundlich und offen an und hält zwei DVD s in die Höhe. »Ich habe zwei Klassiker mit Reese Witherspoon dabei. Eiskalte Engel und Natürlich blond .«
» Eiskalte Engel ist mein Lieblingsfilm«, sage ich.
»Ich weiÃ.« Sie zwinkert mir zu.
Oh, richtig. »Lass uns den zuerst ansehen.«
Sienna springt vom Sofa auf, um den Film einzulegen. Grandma steht ebenfalls auf. »Ich lasse euch Mädels mal allein. Ich habe heute ein bisschen Kopfschmerzen«, sagt sie.
»Bist du sicher? Du kannst gern bleiben â¦Â«
Grandma winkt ab und blinzelt mit ihren faltigen Augenlidern. Das macht sie nur, wenn sie flunkert. »Ich bin wirklich ziemlich müde. Ich gehe heute einfach etwas früher ins Bett. Popcorn ist im Küchenschrank.«
Ich umarme sie, ihre Augen leuchten. Hat sie sich wirklich so groÃe Sorgen um mich gemacht? »Danke, Grandma.«
»Gute Nacht, Mrs Wentworth«, sagt Sienna und greift nach der Fernbedienung.
»Viel Spaà ihr zwei«, sagt Grandma und geht.
Der flimmernde Bildschirm erleuchtet das Wohnzimmer, setzt Sienna und mich ins Rampenlicht, was unsere Situation nur noch peinlicher macht.
Sienna hat weniger Make-up aufgelegt als in der Schule. Dadurch sieht sie jünger aus. Sie ist sozusagen eine Junior-Highschool Version ihrer selbst, die auf natürliche Weise schön und einen Hauch unschuldiger wirkt.
»WeiÃt du, woran ich heute gedacht habe?«, fragt sie.
»Woran?«
»Erinnerst du dich noch daran, als du unbedingt diese blaue Gucci-Handtasche haben wolltest?«, fragt sie. »Wir haben drei Wochen damit verbracht, die Einkaufszentren danach zu durchstöbern.«
Ich muss unvermittelt grinsen. »Und am Schluss hab ich ein billiges Imitat gekauft. Aber du hast jedem in der Schule erzählt, sie sei echt, und alle haben dir geglaubt.«
Sie lächelt unbekümmert. Meine letzten Bedenken schmelzen dahin. »Als ich die Prada-Stiefel gekauft habe, hast du es genauso gemacht.«
»Du meinst Prado .«
Wir brechen in schallendes Gelächter aus. Das Eis ist gebrochen.
»Immer noch besser als die Channel -Jacke, die du auf dem Flohmarkt gekauft hast«, erwidert sie.
Ich bekomme groÃe Augen. »Ich wusste nicht, dass Chanel nur mit einem n geschrieben wird.«
Sienna lacht immer noch, als sie sich auf dem Sofa in die Kissen sinken lässt. »Du hast mir gefehlt.«
»Du mir auch.« Ich stehe abrupt auf. »Ich gehe mal Popcorn machen. Möchtest du eine Cola?«
»Ja, gern.
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