Der Kuss der Sirene
sorgt sich in einer Weise um mich, wie niemand sonst es jemals getan hat. Er glaubt an mich, wie niemand sonst es tut. Aber er wird nie zu mir gehören. Und nur das spielt eine Rolle.
»So fühlt es sich also an«, sagt Cole.
»Was?«
»Beim Schlussmachen auf der anderen Seite zu stehen.«
Meine Lippen öffnen sich, aber mir fehlen die Worte.
Er greift noch einmal nach meiner Hand. Diesmal genieÃe ich seine Berührung noch ein letztes Mal, ziehe meine Hand dann aber zurück.
»Mach das nicht, Lexi!«
»Es tut mir leid«, erwidere ich. Und diese Worte sind zur Abwechslung nicht gelogen. »Aber wir wissen beide, dass es nicht gut gehen würde.«
»Das ist nicht wahr! Du bist verängstigt und willst wegrennen. Das ist der Grund.« Ein Anflug von Panik liegt in seiner Stimme. Er ahnt, dass er schon verloren hat.
»Es tut mir leid, Cole. Das alles war ein groÃer Fehler.«
»Wie kannst du das sagen?«, fragt er, nun geradezu schroff.
»Nur weil du immer bekommst, was du willst, bedeutet das noch lange nicht, dass ich meine Meinung ändere.« Das ist mir unversehens rausgerutscht, die Eiskönigin Lexi hat sich zurückgemeldet.
Seine Augen glänzen. Ich habe ihn an seinem wunden Punkt getroffen, denn ich habe so getan, als wäre er noch der alte AufreiÃertyp von früher. Ich lasse ihn ohne ein weiteres Wort stehen. Ich habe getan, was ich tun musste. Zumindest rede ich mir das immer und immer wieder ein. Und dennoch ist mein Herz in tausend Scherben zersprungen.
Beim Mittagessen sitzt Cole nicht an Siennas Tisch. Aber Erik hat dort Platz genommen, gestikuliert wild und erzählt irgendeine Geschichte. Alle hängen an seinen Lippen. Innerhalb weniger Wochen hat er die ganze Schule für sich eingenommen. Sie fallen alle voll auf ihn rein. Kein Wunder bei seinem Aussehen. Er ist mit Abstand der heiÃeste Typ, der jemals diese Highschool besucht hat. Und das bedeutet: Platz eins auf der Liste der beliebtesten Schüler.
Seltsamerweise bin ich sogar froh darüber. Erik passt genau in meine Clique. Das macht es mir leicht: Ich kehre einfach wieder in mein altes Leben zurück und er kommt dazu.
Es gibt noch einen freien Platz neben Erik. Als ich mich an seine Seite setze, strahlt er mich an.
Für eine Weile ist es still. Ich kann förmlich hören, wie alle ihre Gedanken zurückspulen und sich an die Party letzten Freitag erinnern. Sie fragen sich: War Lexi da nicht noch mit Cole zusammen? Nicki trägt ein gefrorenes Grinsen zur Schau, sie wirkt ärgerlich und belustigt zugleich. Selbst ein Blinder würde merken, dass sie in Erik verknallt ist. Ich hoffe, das gibt später keinen Ãrger.
Erik hilft mir aus der Patsche, indem er eine neue Geschichte zum Besten gibt.
Sienna versetzt mir unter dem Tisch einen Tritt. Ihr Blick fragt: Was zur Hölle geht hier vor? Sie will natürlich wissen, wo Cole ist und warum ich neben Erik sitze. Ich zucke lahm mit den Schultern.
Dann entdecke ich Cole in der Essensschlange. Er beobachtet mich mit einer Mischung aus Ãrger und Ãberraschung. Sicher erfasst er die Situation mit einem Blick: Ich bin nicht nur vor ihm weggelaufen. Nein, schlimmer: Ich habe mich zu Erik geflüchtet. Damit habe ich ihm das Messer noch tiefer in die Brust gestoÃen.
Wenn ich es Cole doch nur erklären könnte! Dann wäre das alles nur halb so schlimm. Doch ich werde ihm niemals die Wahrheit sagen können, dass er der Einzige ist, mit dem ich zusammen sein will, aber es nicht sein darf. Ich forme ein stummes »Tut mir leid« mit den Lippen. Entweder hat er es nicht gesehen oder es ist ihm egal. Er tritt aus der Warteschlange, ohne ein Essen bestellt zu haben, und verlässt die Cafeteria. Leise schlieÃt sich die Tür hinter ihm, doch in meinen Ohren tönt es wie ein Knall.
Er ist fertig mit mir.
Kurz vor Sonnenuntergang laufen Erik und ich zu einem abgelegenen Platz am Strand, der in der Nähe der Klippen auÃerhalb der Stadt liegt. Zuerst wollte ich nicht mit. Ich hatte Angst, dass mich dasselbe überwältigende Verlangen packen würde, das ich in der Nacht mit Steven verspürt habe. Ich hatte Angst, dass ich Erik ins Wasser locken würde.
Aber Erik hat mich schlieÃlich überredet. Er will mir unbedingt beweisen, dass wir uns ganz normal verhalten können, wenn wir zusammen sind. Das ist sein Plan. Solange der Fluch nicht gebrochen ist,
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