Der Kuss der Sirene
Startpunkt auf dem grünen Kunstrasen und betrachte die erste Bahn. Sie besteht aus einem geschlängelten grünen Teppich, der von weià getünchten Brettern eingefasst ist. Erik überreicht einer Frau, die neben einem riesigen Trog voller Golfbälle sitzt, zwei Tickets. Sie nimmt zwei Bälle und wirft einen in meine Richtung. Ich fange ihn in letzter Sekunde auf.
»Ladys first«, sagt Erik und deutet auf die Gummimatte, wo ich den Golfball ablegen soll. Ich setze den Ball auf die Markierung, studiere die Bahn und tue dabei äuÃerst ernst. Ich lecke einen Finger an und halte ihn hoch, als würde ich die Windrichtung prüfen, obwohl wir in einer Halle sind. Erik kichert.
Ich habe keine Ahnung, warum ich so albern bin. Aber vielleicht brauche ich das einfach, um die Zeit der Traurigkeit hinter mir zu lassen.
Ich schlage den Ball so hart, dass er über eines der Bretter springt und in dem künstlichen Kiesbett liegen bleibt.
Erik verdreht die Augen. Er hat ein offenes, einnehmendes Lächeln.
»Was ist dein Lieblingseis?«, fragt er und bückt sich, um seinen Ball auf die Matte zu legen.
»Wie bitte?«
Er richtet sich wieder auf. »Wenn wir zusammenkommen wollen, sollten wir mehr übereinander wissen. Die kleinen Dinge.«
Ich lächle. »Und mein Lieblingseis steht ganz oben auf deiner Liste, was?«
Er zuckt die Schultern. »Eis kanndas Leben ziemlich verändern.« Er holt vorsichtig aus, der Ball rollt über den Kunstrasen und schlägt gegen eines der Bretter. Er prallt ab, rollt um die Kurve und trifft auf das andere Brett, springt vor und zurück, bis er schlieÃlich ein paar Zentimeter vor dem Loch liegen bleibt.
Na gut, vielleicht wird er dieses Spiel gewinnen. Ich hole meinen ins Aus gerollten Golfball zurück und lege ihn auf die Markierung. »Vanille mit Schokoladensirup. Und deine?«
»Schokoeis mit Nüssen und Marshmallows. Lieblingsfarbe?«
Ich halte ihm mein Handgelenk vor die Nase, an dem Siennas Armband baumelt. »Blau, Aquamarin, Türkis, alle Farben des Ozeans.« Ich halte kurz inne. »Eigentlich ziemlich blöd, denn dadurch werde ich dauernd ans Schwimmen erinnert. Aber ich kann nicht anders, denn das Meer zieht mich magisch an. Es ist so eine Art Hassliebe.«
Um meine Gedanken abzulenken, wende ich mich abrupt meinem Golfball zu und verpasse ihm einen etwas behutsameren Schlag als vorhin. Er springt beinahe noch mal aus der Bahn, prallt dann jedoch hart gegen die Bretter und springt wie beim Flippern vor und zurück â viel schneller als Eriks Ball. Dann rollt er direkt ins Loch.
»Gut gemacht«, gratuliert Erik mir. Er nimmt meine Hand und für einen Moment bin ich etwas verwirrt, doch er will offenbar nur einen genaueren Blick auf mein Armkettchen werfen. Gänsehaut kriecht mir den Arm hinauf. Eine seltsame elektrische Spannung liegt in seiner Berührung. Vielleicht bedeutet das, dass wir tatsächlich füreinander bestimmt sind.
Er dreht seine Hand, sodass sich unsere Finger miteinander verflechten. Dann lässt er mich los. »Ich mag lieber Rot«, sagt er.
»Wirklich?«
»Ja, das Gegenteil von Wassergrün, das Gegenteil zu unserem Fluch.«
Das macht Sinn. Aber trotzdem kommt es mir nicht richtig vor.
Er läuft über den Kunstrasen zu seinem Ball, der immer noch ein paar Zentimeter vor dem Loch liegt. Er stellt seine FüÃe schulterbreit auseinander, hält den Schläger für eine Sekunde auf den Rasen und macht sich zum Schlag bereit. »Welches Hauptfach willst du studieren?«
Bevor ich antworten kann, holt er aus und locht den Ball mit einem leisen Klacken ein.
»Irgendein Naturwissenschaftliches. Ich bin noch nicht ganz sicher. Ich hatte bis jetzt Angst vor groÃen Träumen. Und du?«
Er bückt sich, fischt unsere Golfbälle wieder aus dem Loch und kommt zu mir zurück. »Ich wollte immer Architekt werden. GroÃe Gebäude errichten, etwas Dauerhaftes hinterlassen. Wasser ist so veränderlich.«
Er drückt mir meinen Golfball in die Hand und ich spüre die kühle, unebene Oberfläche. »Und jetzt?«
»Ich weià es nicht. Ich habe vor einer Weile aufgehört zu träumen, als ich mich zu fragen begann, ob ich dich überhaupt jemals finden würde.«
Das Blut schieÃt mir in die Wangen. Ich finde es romantisch, dass er so lange nach mir gesucht hat. Er ist felsenfest davon
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