Der Kuss der Sirene
Aussteigen hinter sich her.
Musik dringt in meine Ohren. Geige, wahrscheinlich Country. Nicht unbedingt mein Geschmack, aber ich muss lächeln, als die schrille Stimme eines Mädchens aus den Lautsprechern plärrt. Ich möchte tanzen. Ich möchte tanzen, bis das Fest vorbei ist und ich die Letzte auf der Tanzfläche bin.
Eine Schnur mit Flaggen und Wimpeln ist quer über den Platz gespannt. Sie flattern in der Brise, die vom Meer herüberweht. Orangefarbene, gelbe und weiÃe Lichterketten sind um jeden Laternenmast gewickelt.
Sienna bleibt mit ihren Stöckelschuhen in einem Riss im Asphalt hängen, stolpert und stöÃt gegen Patrick. Er fängt sie auf und macht eine riesige Show daraus. Sie kichert, als er sie hochhebt und auf den Armen trägt, als hätte sie sich den Knöchel gebrochen. Sie kommen an einer groÃen Mülltonne vorbei und er tut so, als wollte er sie hineinwerfen. Sie kreischt und schlägt ihm im Spaà auf die Schulter, bis er sie wieder absetzt.
Man merkt, wie es zwischen den beiden knistert, und das färbt auch auf mich und Erik ab. Ich grinse ihn an, genieÃe jeden Moment. Als er mich küsst, spiegelt sich aufrichtige Freude in seinen Augen. Ich brauche ihn so sehr wie das Wasser.
Am Haupteingang steigen uns von allen Seiten die verschiedensten Gerüche in die Nase: gebratene Zwiebeln, Zuckerwatte, frisch gepresste Limonade, gegrillte Maiskolben. Rauchschwaden ziehen über die Grillplätze hinweg und aus den Spielbuden kommt ab und zu ein schriller Begeisterungsschrei. Die Wagen einer kleinen Achterbahn rattern die Schienen hinauf. Die Band spielt jetzt noch lauter.
»Was möchtet ihr als Erstes machen?«, fragt Sienna, dreht sich zu uns um und läuft rückwärts weiter. Patrick hält sie am Ellenbogen fest, damit sie nicht noch einmal über den unebenen Boden stolpert.
»Riesenrad fahren«, sage ich.
»Einverstanden!« Sie wirbelt wieder herum und hüpft in Richtung Riesenrad, das am Rand des Platzes aufgebaut ist, ganz in der Nähe des Jachthafens und des Piers.
Für diese Jahreszeit ist es ein warmer Abend und der Himmel ist so wolkenlos, dass ich die ganze Nacht damit verbringen könnte, Sterne zu zählen. Ein sanftes, salziges Lüftchen weht über den Platz und vermischt sich mit den Gerüchen des Rummels.
Das Riesenrad ist nicht besonders groÃ. Nur jeweils zwei Leute können nebeneinander in einer Gondel sitzen. Sienna und Patrick klettern in die erste, Erik und ich nehmen die nächste direkt dahinter. Wir bewegen uns langsam aufwärts und halten ab und zu an, damit unten weitere Fahrgäste einsteigen können.
Die Gondel über uns beginnt vor und zurück zu schaukeln und Patrick ruft: » If the ride is a rockinâ, donât come a knockinâ! «
Ich höre Sienna mit ihm schimpfen und verdrehe die Augen, doch die Gondel schaukelt noch eine Weile weiter, bevor sie schlieÃlich anhält. Wir steigen höher, bis wir uns oberhalb der Achterbahn und der Bühne befinden. Erik schiebt einen Arm um meinen Rücken und zieht mich zu sich heran. Ich lehne mich an seine Brust und sehe zu, wie wir immer höher fahren, bis wir das Meer sehen. Es glitzert unter dem Sternenhimmel und verschwindet schlieÃlich im Dunst.
Unsere Gondel hält ganz oben an. Sienna und Patrick sind nicht mehr in Sichtweite. Es gibt nur noch Erik und mich, als wären wir die letzten Menschen auf dieser Erde. Die Rummelmusik dringt schwach herauf. Das Violinensolo einer Ballade ist unsere einzige Begleitung in der Dunkelheit.
»Jetzt würdest du am liebsten schwimmen, oder?«
Ich nicke.
»Sag mir Bescheid, wenn du es nicht mehr aushältst. Dann gehen wir nach der ersten Runde.«
Ich nicke und bin dankbar, dass er mich versteht. Ich sehe ihm tief in die Augen, neige meinen Kopf leicht nach hinten, und Erik beugt sich so weit vor, dass wir uns erneut küssen können. Diesmal fährt er mit seiner Zunge über meine Lippen, bis ich sie öffne. Und dann küssen wir uns richtig, erhitzter, inniger als vorher. Und dieser Kuss endet nicht so schnell wie bei Cole.
Ich bin so in diesen Augenblick versunken, dass ich beinahe vom Sitz springe, als sich plötzlich jemand räuspert. Vor mir steht schon der Platzanweiser und gleich hinter ihm haben sich die nächsten Fahrgäste versammelt. Wir sind wieder unten.
Ich steige aus der Gondel und lasse mich an Eriks
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