Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
deren Vater mit Bengtsson Senior befreundet war, war die Auserwählte.
Die Neuigkeit traf Lotte wie ein Schlag ins Gesicht. Konnte das wirklich wahr sein? Lorenz hatte Tatjana ihr gegenüber mit keinem Wort erwähnt. War sie für ihn nur ein einmaliges Abenteuer gewesen? Hatte er eiskalt gelogen, als er ihr von seinen überschwänglichen Gefühlen erzählte?
Nach der Geschichte mit Lorenz fiel Lotte in ein tiefes schwarzes Loch, aus dem sie es aus eigener Kraft womöglich nicht herausgeschafft hätte. Sie verdankte es vor allem dem unermüdlichen Einsatz und der Liebe ihrer Familie, dass sie wieder auf die Beine gekommen war. Ihre Schwestern kümmerten sich geradezu rührend um sie, während ihre Eltern ihr immer wieder versicherten, dass sie ohne Lorenz besser dran war.
Am Ende glaubte ein Teil von Lotte sogar selbst daran.
Doch ein anderer Teil kam nie über ihn hinweg und sehnte sich auch Jahre später noch nach ihm …
“Willst du darüber reden?”
Als sie die Stimme hinter sich vernahm, wirbelte sie herum und kehrte zurück in die Gegenwart. Lorenz stand im Durchgang zur Terrasse, mit der Schulter entspannt gegen den Türrahmen gelehnt, und beobachtete sie.
“Wie lange stehst du schon da?”, fragte sie.
“Lang genug, um zu erkennen, dass dich etwas bedrückt.” Er trat auf sie zu. “Mein Angebot steht immer noch. Wenn du darüber – um was auch immer es sich handelt – reden willst, dann …”
“Nenn mir einen Grund, warum ich mich ausgerechnet dir anvertrauen sollte!”
Warum sie so giftig auf sein Angebot reagierte, wusste Lotte selbst nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht wollte, dass er sie freundlich behandelte. Das machte es nämlich nur noch schwerer, sich zu entscheiden. Außerdem rechnete sie damit, dass er sie jeden Augenblick danach fragen würde, was Tjaderborg mit ihr besprochen hatte. Und sie wusste beim besten Willen nicht, was sie ihm darauf antworten sollte.
Doch er zuckte nur mit den Schultern. “Es ist deine Entscheidung. Eigentlich bin ich auch nur gekommen, um dich zu fragen, ob du mich morgen aufs Festland begleiten willst. Ich muss einige Besorgungen machen, und vielleicht brauchst du ja auch noch etwas. Pflanzen für deinen römischen Garten zum Beispiel.”
Misstrauisch sah sie ihn an. “Warum bist du plötzlich so freundlich zu mir? Was führst du im Schilde?”
Seine Miene verfinsterte sich. “Hör zu, so geht das nicht weiter. Wir sind gezwungen, miteinander auszukommen – wenigstens für die nächsten Wochen.”
“Ach!” Lotte stieß einen ungläubigen Laut aus. “Das sind ja ganz neue Töne! Bisher hatte ich eigentlich immer das Gefühl, dass du mich gar nicht schnell genug loswerden kannst. Woher rührt der plötzliche Stimmungsumschwung? Du befürchtest, dass ich mich mit Tjaderborg gegen dich verschworen haben könnte, stimmt’s?”
Er trat noch einen Schritt auf sie zu und stand jetzt direkt vor ihr, sodass sie zu ihm aufblicken musste. “Und? Hast du?”, wollte er wissen.
“Was soll das?”, fragte sie und ärgerte sich selbst darüber, wie unsicher und zittrig ihre Stimme klang. “Ist das etwa ein Verhör?”
Ohne zu antworten, schaute er sie einfach nur aus seinen klaren dunkelgrünen Augen an. Unwillkürlich fing Lottes Herz an, heftiger zu klopfen. Halbherzig versuchte sie, sich an ihm vorbeizudrängeln, doch er verstellte ihr den Weg.
Sein männlich herber Geruch hüllte sie ein, verwirrte ihre Sinne. Sie konnte nicht mehr klar denken, das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr Mund wurde trocken. “Lorenz, ich …” Die Stimme versagte ihr, doch sie wusste ohnehin nicht mehr, was sie sagen sollte. Die ganze Situation war einfach nur verrückt.
Nicht nur war Lorenz der Mann, der ihr vor fünf Jahren die größte Demütigung ihres Lebens beschert hatte, er war auch noch ihr direkter Konkurrent. Schon seit ihrer Ankunft auf Kärlekholmen versuchte er, sie zu vergraulen. Er verhielt sich ihr gegenüber unausstehlich, nur um sie im nächsten Augenblick an sich zu ziehen und zu küssen.
Und das Schlimmste daran war, dass sie es auch noch genoss! Um ehrlich zu sein, musste sie immerzu daran denken, wie es wäre, wenn Lorenz und sie …
“Nein!”, rief sie gegen ihren Willen laut aus.
Er musterte sie fragend. “Nein? Soll das heißen, ihr habt euch nicht gegen mich verbündet?”
“Nein … Ich meine – ja!” Sie schüttelte den Kopf, schob sich seitlich an Lorenz vorbei und blieb mit dem Rücken zu ihm stehen. “Ach,
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