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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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einmal feuchter geworden zu sein, das meinte er mit allen Sinnen zu erspüren - oder war das lediglich eine Einbildung seiner überreizten Fantasie?

    Dann hörte er das Geräusch, das ihn jedes Mal an das Quieken junger Schweine erinnerte.
    Ein durchdringender, ganz und gar nicht harmonischer Ton, für ihn jedoch Musik in den Ohren.
    Die Ibisse, stets dem steigenden Wasser ein Weilchen voraus, waren zurück!
    Die Flut war nah. Und sein Königsheil gerettet.

DRITTES KAPITEL
    D as Licht ist so gleißend hell, dass sie die Augen zu Schlitzen zusammenkneifen muss. Jetzt sehnt sie sich auf einmal zurück nach der Dunkelheit, die sie zuvor geängstigt hat.
    Sie wehrt sich, aber es gibt kein Erbarmen.
    Der Mann, der sie gepackt hält, schleift sie einfach weiter, ohne sich um ihr wütendes Treten und Strampeln zu kümmern.
    »Hör auf, dich zu wehren, Kleines. Damit machst du alles nur noch schlimmer!«
    Oh, wie sehr sie seine Stimme hasst, dieses hohe, scharfe Flüstern, das ihr in den Ohren sticht! Wäre sie groß, sie würde ihn zwingen, sie endlich freizugeben. Aber sie ist klein, viel zu klein, um wirklich etwas gegen ihn ausrichten zu können.
    Doch eines kann sie sehr wohl tun: schreien. Sie öffnet den Mund …
     
    »Miu, wach auf! Was hast du denn nur? Dein Schrei eben ging mir durch und durch.«
    Raias Gesicht schwebte über ihr und Miu las die Besorgnis in ihren Augen.
    »Es ist nichts«, murmelte sie, heilfroh, wieder in der wirklichen Welt angekommen zu sein. »Ich hab nur schlecht geträumt.«

    »Schon wieder? Wir werden uns etwas dagegen einfallen lassen müssen. Jetzt aber erst einmal aus dem Bett mit dir! Man erwartet uns im Haus der Reinigung *!«
    »Wer erwartet uns?« Es fiel ihr schwerer als gewöhnlich, auf die Beine zu kommen, doch Raias Drängen ließ keinerlei Widerrede zu. »Ist Papa denn schon wieder zurück?« Hatte nicht Sheribin etwas in dieser Richtung angedeutet?
    »Nein«, sagte Großmama. »Die Botschaft kam von Ani. Wir sollen uns beeilen!«
    Nach ein paar Bissen Brot und einem Becher Wasser verließen sie gemeinsam das Haus. Die Luft auf dem Weg zur Fähre war schwül und feucht, doch niemand kam auf die Idee, sich darüber zu beschweren. Der Fluss stieg - und ganz Kemet seufzte auf vor Erleichterung. Binnen kurzer Zeit würde auch die letzte Sandbank verschwunden sein und das Hochwasser über die Ufer treten, um auf den durstigen Feldern seinen fruchtbaren, sehnlich erwarteten Schlamm abzulagern. Überall im Land wurde jetzt dem Nilgott Hapi geopfert, damit die Überschwemmung auch üppig genug ausfiel.
    »Rechne lieber damit, dass uns kein schöner Anblick erwartet«, sagte Großmama kurz vor dem Anlegen auf dem Westufer. »Dann stellst du dir am besten vor, zwei unsichtbare Hände würden dein Herz schützen. So haben selbst schreckliche Bilder keine Möglichkeit einzudringen.«
    Damit verstummte sie erneut.
    Miu warf ihr einen überraschten Blick zu, fragte aber nicht weiter nach. Ihr war schon jetzt ziemlich mulmig zumute. Außerdem machte sie die Vorstellung unruhig, Ani wiederzusehen. Natürlich hätte sie ihn am liebsten gefragt, ob er zu Isets Hochzeit kommen würde.

    Allein?
    Darauf konnte sie nicht zählen. Vielleicht gab es ja längst ein Mädchen oder eine junge Frau, an die er sein Herz verloren hatte, auch wenn Miu nichts davon wusste. Dann würde die ihn sicherlich zu dem Fest begleiten. Aber was ging sie das alles eigentlich an, wo Papa ihr doch ohnehin jeglichen Kontakt zur Freundin strengstens untersagt hatte?
    Schweigend legten sie auch den Rest des Weges zur Werkstatt zurück, die nahe dem Nilufer lag und in den letzten Jahren wegen der stark steigenden Auftragslage ständig vergrößert worden war. Seitdem der Handel in Waset wieder florierte, konnten sich immer mehr seiner Bewohner auch die kostspielige Balsamierung leisten, um ihre Angehörigen auf die beste Weise für die Reise in die Ewigkeit zu rüsten. Das ehemalige Reinigungszelt, in früheren Jahren eine wacklige Konstruktion aus Holzpfählen und Schilfmatten, in dem die neu angelieferten Leichen mit einer Mischung aus Nilwasser und Natron gesäubert worden waren, war längst verschwunden und durch ein lang gestrecktes gemauertes Gebäude ersetzt worden.
    Davor erwartete sie Ipi, Papas rechte Hand, das fleischige Gesicht vor Aufregung schweißnass. Bei Mius Anblick begann er zu lächeln, was bei ihm allerdings eher wie Zähnefletschen aussah. Dann aber wurde er schnell wieder ernst und zeigte unverhüllt

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