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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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klugen Mutter ab, was eine richtige Katze alles können musste.

    Manchmal allerdings schien sie das alles ebenso schnell wieder zu vergessen, so wie jetzt, wo sie wie ein Fellbündel durch Mius Zimmer schoss, und der kleine, dunkel gestromte Bruder war ihr dabei dicht auf den Fersen.
    Hohe, spitze Schreie.
    Dann waren die beiden ineinander verkeilt und balgten so übermütig, dass kleine Fellbüschel durch die Luft flogen.
    Pau saß an der Tür und sah ihnen unbewegt zu. Nur noch ganz selten ließ sie die beiden Jungen an ihre Zitzen, und selbst dann immer nur für wenige Augenblicke. Als Miu sie mit einem leisen Schnalzen lockte, erhob Pau sich majestätisch, streckte sich ausgiebig und kam schließlich zu ihr.
    »Willst du ein Geheimnis hören?«
    Die Katze spitzte die Ohren, als verstünde sie jedes Wort.
    »Deine Kleine wird eine Königskatze werden«, murmelte Miu, während sie Pau genüsslich streichelte. »Das hab ich mir für sie ausgedacht!« Zum Glück begann sie langsam, wieder runder zu werden, jetzt wo sie endlich nach Hause zurückgefunden hatte.Anukets Leckerbissen zeigten erste Erfolge. Miu würde achtgeben, dass es auch so blieb. »Was hältst du davon, meine Schöne?«
    Pau rieb den Kopf an Mius Hand.
    »Ich denke, wir werden den Pharao sehr glücklich damit machen«, fuhr Miu fort und musste lächeln, als anstelle einer Antwort der schönste Ton erklang, den sie sich vorstellen konnte: ein tiefes, gleichmäßiges Schnurren.

VIERTES KAPITEL
    W ie groß der künstlich angelegte See war!
    Schilf wucherte an seinen Ufern, Seerosen und Lotosblüten bedeckten wie ein blühender Teppich das östliche Ende, während der Rest der riesigen Wasserfläche für die königlichen Barken frei gemacht worden war. Überall Vögel, Bachstelzen, Graureiher, Turteltauben, sogar ein Ibisschwarm, der sich vom Nil über den Kanal hierher verirrt zu haben schien. Ihr Pfeifen und Sirren, ihr Trillern und Gurren erfüllte die Luft und in der betäubenden Hitze stand das Grün der Palmen satt und leuchtend.
    »Wunderschön«, sagte Miu beeindruckt. »Eine ganz eigene Welt!«
    Sie strich sich das Haar aus der Stirn, nur allzu gern bereit, die Verdrießlichkeiten des Tages zu vergessen, die sie bis hinter die königlichen Palastmauern begleitet hatten. Begonnen hatte es mit der vergeblichen Suche nach dem lohfarbenen Katzenjungen, das sie Tutanchamun heute eigentlich zum Geschenk hatte machen wollen. Dann kamen die nervigen Ermahnungen von Papa, der nur mühsam davon abzuhalten gewesen war, sie und Großmama zu begleiten. Gefolgt von einer Auseinandersetzung mit Raia, die ungewohnt wortkarg neben ihr in der Sänfte gehockt
hatte, mit einem Gesicht, als ginge es zu einer Hinrichtung statt zu einer Barkenfahrt. Sogar die Palastwache musste zum guten Schluss erst davon überzeugt werden, sie beide hineinzulassen.
    »Ohne mich tut meine Enkelin keinen weiteren Schritt. Sagt das dem Pharao.« Wenn Raia so aufgebracht war, wirkte sie größer als gewöhnlich. »Entweder ich begleite sie - oder ich werde Miu auf der Stelle nach Hause bringen.«
    Daraufhin war in aller Eile Mayet herbeizitiert worden. Sie zog sich mit ihrer alten Freundin ein paar Schritte zurück und redete dabei eifrig auf sie ein. Schließlich machte die Königsamme dem Offizier der Leibgarde ein Zeichen, und er gab den Weg für Miu und Raia frei, während die Bewaffneten ihnen in respektvollem Abstand folgten.
    Falls der Pharao sich von der unerwarteten Begleitung gestört fühlte, so ließ er sich das nicht anmerken. Freundlich und voller Hochachtung hatte er das Wort an Raia gerichtet, die nicht minder formvollendet geantwortet hatte. Bald schon waren die beiden in eine angeregte Unterhaltung über Vogelarten vertieft, zu der Tutanchamun auch noch seinen obersten Hofgärtner hinzubat.
    Eine überaus kluge Taktik, um Großmama in Sicherheit zu wiegen, wie Miu binnen Kurzem feststellen sollte.
    Während sie nämlich noch mit dem vierschrötigen Mann über Benus und Regenpfeifer fachsimpelte, hatte der Pharao Miu bereits auf die schmale Planke geführt.
    »Sei vorsichtig«, sagte er leise. »Damit du mir bloß nicht ins Wasser fällst.«
    Seine Hand auf ihrer Schulter war warm und beschützend. Es tat Miu fast leid, dass er sie zurückzog, sobald sie an Bord waren.

    Ein knappes, majestätisches Nicken.
    Die Ruderer setzten sich in Bewegung; erstaunlich geschwind glitt die Barke davon, während Raia ihnen vom Ufer aus fassungslos hinterherstarrte.
    Tutanchamun

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