Der Kuss Des Daemons
Jugendgefängnis gesessen hatte und deshalb jetzt mehrere Schuljahre hinterherhinkte. Weder Beth noch ich hatten mit ihm zusammen einen Kurs, doch laut Neal, einem Jungen aus unserer Clique, der mir ihm den gleichen Physik-, Geschichts-und Sportkurs besuchte, war Julien DuCraine ein Einzelgänger, abweisend und arrogant. Die meisten behandelten ihn mit vorsichtigem Respekt, nachdem er in der ersten Sportstunde Mike Jamis beim Volleyball das Handgelenk gebrochen hatte. Dabei war alles - nach Mikes eigener Aussage - nur ein Unfall gewesen.
Er
hatte
versucht
DuCraines
Aufschlag
anzunehmen. Die Wucht, mit der der Ball auf seinen Arm geprallt war, hatte Mikes Handgelenk gebrochen. Seitdem ging die gesamte gegnerische Mannschaft in Deckung, wenn DuCraine den Aufschlag hatte. Nach dem, was man sich weiter erzählte, war Julien ein begnadeter Fechter, dem selbst der Coach nicht gewachsen war. Doch bislang hatte er alle Angebote, der Schulmannschaft beizutreten, ausgeschlagen. Sehr zu Neals Erleichterung, der bis zu Juliens Erscheinen der unangefochtene Champion gewesen war. Ich selbst war DuCraine bisher nur ein paarmal auf den Fluren begegnet, ohne auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln. Beim Mittagessen in der Cafeteria hatte ich ihn noch nie getroffen. Offenbar wollte er so wenig wie möglich mit uns allen zu tun haben.
Wenn er sich mit seiner abweisenden Art auch jeden anderen an der Montgomery vom Hals halten konnte, so versagte seine Taktik bei Cynthia Brewer vollständig. Cyn hatte ihn gesehen und sofort stand er auf der Liste der Dinge, die sie unbedingt haben wollte. Ganz oben. Noch am selben Tag hatte sie die Jagd eröffnet. Und ihn jetzt endlich gestellt. Zumindest lehnte er gerade mit dem Rücken an seinem Spind am anderen Ende des Flures, während Cynthia so dicht vor ihm stand, dass ihre über ihren Büchern verschränkten Arme nur noch Zentimeter von seiner Brust entfernt waren. Ihr Lachen drang bis zu Beth und mir, während sie sich ihre dunkle Mähne zurückstrich. Im Gegensatz zu Beth wäre ich niemals auf die Idee gekommen, DuCraine vor Cynthia retten zu wollen. Die beiden hatten einander verdient. In den drei Wochen, die er gerade mal an der Schule war, hatte er bereits mit zwei Mädchen aus unserer Stufeetwas angefangen, jede von ihnen aber schon nach ein paar Tagen wieder mit gebrochenem Herzen in die Wüste geschickt.
Zwei Jungen blieben vor der Bank stehen, auf der Beth und ich saßen, und vertraten uns dabei die Sicht.
»Und? Wie ist Mathe gelaufen?« Neal, der größere der beiden, zog den Riemen seines Rucksacks über der Schulter zurecht und grinste mich an. Neben ihm spielte Mike mit der Schlinge, in der sein eingegipstes Handgelenk lag. Obwohl er ungefähr zehn Zentimeter kleiner war als sein Freund Neal, war er in den Schultern ein gutes Stück breiter. Er begrüßte uns mit einem Nicken und einem »Hi!«
und hob dann die Hand, als ein Junge aus seiner Volleyballmannschaft vorbeiging.
»Wie soll Mathe schon gelaufen sein. Schlecht natürlich.«
Ich streckte die Arme über den Knien und sah unangenehm berührt zur Seite.
Neal - das Mathe-und Computergenie - schnalzte mit der Zunge. Alles, was nur ansatzweise mit Zahlen und Logik zu tun hatte, war für ihn ein Kinderspiel, während es mir nicht in den Kopf wollte, wozu ich berechnen können sollte, welcher Punkt einer Kurve sich wo in einem Koordinatensystem befand. Und das auch noch aus der x²en Ableitung heraus. Etwas, was Neal absolut nicht nachvollziehen konnte.
»Ich dachte, Beth hätte mit dir gelernt«, stellte er mit unüberhörbarer Missbilligung in der Stimme fest. Schon im letzten Schuljahr hatten wir herausgefunden, dass seine Geduld nicht ausreichte, um mir Nachhilfe zu geben. Unsere Versuche damals hatten in Wutausbrüchen sowohl auf seiner als auch auf meiner Seite geendet und waren gnadenlos schiefgegangen.
Ehe ich etwas zu meiner Verteidigung sagen konnte, tat Beth es für mich.
»Das habe ich auch. Und sie übertreibt. Sie hat nämlich dieses Mal alle Aufgaben geschafft. - Du stehst mir im Weg, Neal. Geh mal einen Schritt nach links.«
Ein wenig verwirrt gehorchte er und blickte flüchtig in die gleiche Richtung wie Beth. Nur um einen Sekundenbruchteil später die Augen aufzureißen und zu den Spinden hinzustarren. Mike schnappte neben ihm hörbar nach Luft. Auch ich schaute wieder den Gang hinunter. Und glaubte nicht richtig zu sehen. Hatte zuvor DuCraine mit dem Rücken zu den Spinden gestanden, so drückte
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