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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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gab wohl die Bischöfe als Vorgesetzte der anderen Priester, und einige davon waren Kardinäle, aber welche Funktion ein Kardinal hatte, wusste sie nicht. Und gab es noch etwas darüber, oder kam dann gleich der Papst? Der würde zumindest ganz sicher nicht erscheinen, um mit ihr zu sprechen. Die Vorstellung, eine Audienz beim Oberhaupt der Kirche zu verlangen, damit sie Antworten von höchster Stelle erhielt, zwang sie, ein albernes Kichern zu unterdrücken. Warum Rafe nicht gleich mitnehmen? Dann konnte er selbst mit dem Papst darüber diskutieren.
    Ginge das? War es gefallenen Engeln möglich, eine Kirche zu betreten? Das spielt nun wirklich keine Rolle. Es sei denn … Plötzlich hatte sie eine Vision von sich selbst in einer Nonnentracht. Was, wenn geweihter Boden ihre einzige Rettung vor ihm war und sie den Rest ihres Lebens in einem Kloster verbringen musste, um nicht schwach zu werden? Mit einem Mal war ihr nicht mehr danach zu kichern.
    Die Tür schwang auf, und ein älterer Herr mit schütterem gelblichem Haar, das einst rot gewesen sein mochte, kam herein. Eine gerade, große Nase und buschige Brauen prägten sein Gesicht, doch sein Blick wirkte freundlich. Unter dem dunkelgrauen Anzug trug er ein schwarzes Hemd mit Stehkragen, das ihn als Geistlichen auswies. »Bonjour, Mademoiselle. Ich bin Abbé Richet. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Bonjour, Monsieur.« Sie spürte sich vor Nervosität erröten. Wie sollte sie nur anfangen? »Mein … Name ist Sophie. Ich … Jemand hat mir etwas erzählt, das mich verwirrt hat, und ich möchte gern die Position der Kirche dazu hören.«
    »Ach?« Der Priester musterte sie etwas distanzierter. »Geht es um die Frage, ob der Gottesdienst auf Französisch oder auf Latein gehalten werden sollte?«
    »Was? Nein. Wie kommen Sie darauf?«
    Er machte eine beschwichtigende Geste und sah wieder freundlicher aus. »Nur so eine Annahme, weil das Thema hier öfter aufkommt. Wollen wir uns nicht setzen?« Einladend wies er auf die Kirchenbänke.
    Sie ging hinüber und nahm Platz. Es kam ihr seltsam vor, sich für ein Gespräch dort niederzulassen. Bislang hatte sie stets nur in Kirchen gesessen, um an Gottesdiensten teilzunehmen.
    Der Abbé setzte sich neben sie. »Nun, Mademoiselle, erzählen Sie mir einfach, was Sie bedrückt.«
    »Es … geht um die Frage, ob … Wie soll ich das erklären? Er sagte, dass Gott das Böse nicht nur zulässt, sondern manchmal sogar befiehlt.«
    Abbé Richet wölbte überrascht die buschigen Brauen. »Wer hat Ihnen denn so einen Unsinn erzählt?«
    »Äh, ein … junger Mann, der … nicht gerade ein tugendhaftes Leben führt«, versuchte sie, das Unsagbare zu umschreiben. Wenn sie dem Priester gestand, dass sie in Kontakt zu einem Dämon stand, rief er entweder nach einem Arzt oder einem Exorzisten.
    »Wie Sie selbst schon bemerken, ist das kein guter Umgang für Sie. Dieser Mann sucht wohl nur nach einem Vorwand, um seinen schlechten Lebenswandel zu rechtfertigen. Sie sollten seinen Worten keine Bedeutung beimessen.«
    »Aber er hat behauptet, es gebe in der Bibel Beweise dafür. Deshalb weiß ich nicht, was ich davon halten soll.«
    »Glauben Sie mir, Mademoiselle, die schlimmsten Teufel sind jene, die Gottes Wort verdrehen, um sich daraus eine Entschuldigung für ihre Sünden zu zimmern. Alles Schlechte in dieser Welt geht von Satan aus, der danach trachtet, uns das Falsche glauben zu lassen. Auch Ihren Bekannten. Sie müssen den Blick fest auf Gott und Jesus Christus richten, dann folgen Sie dem richtigen Pfad.« Der Abbé deutete nach vorn zum Altar.
    »Dann gibt es solche Stellen also gar nicht? Oder hat er sie nur falsch interpretiert?«
    »Sehen Sie, wenn Gott weise und gerecht und die Liebe ist – und daran kann es doch keinen Zweifel geben, nach allem, was er für uns getan hat –, dann kann nichts, was von Gott ausgeht, böse oder schlecht sein, nicht wahr? Alles, was ER in seiner Weisheit entscheidet, ist richtig und gut. Uns Menschen steht nicht zu, darüber zu urteilen, weil nur ER allwissend ist, während wir stets nur einen kleinen Teil erkennen.«
    »Ja, aber …« Sie hatte Schwierigkeiten, ihren Faden wiederzufinden. »Heißt das dann, dass ich auch jede Strafe, die er über einen Sünder verhängt – egal, wie grausam sie ist –, als gut und gerecht hinnehmen muss?«
    Der Priester fasste sie schärfer ins Auge. »Ich weiß nicht, worauf Sie sich jetzt beziehen, aber die Antwort kann nur ein Ja sein.

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