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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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du, dass Frauen in der Kirche einen Schleier tragen sollten, weil es die Engel so wollen?«
    »Nein«, erwiderte er grinsend. »Aber wenn der Papst mal wieder etwas bräuchte, um die Feministinnen gegen sich aufzubringen, würde ich ihm den Spruch empfehlen.«
    »Das ist kein Spruch«, empörte sich Sophie. Wenn er sich über jemanden lustig machen wollte, dann über den Abbé. »Das hat mir gerade ein Priester erzählt.«
    Jeans Miene verdüsterte sich. »Du hast mit einem Priester gesprochen?«
    »Ja, warum nicht? Ich dachte, du würdest das gutheißen.«
    »Das habe ich nie gesagt! Bei wem warst du?«
    Sophie wusste nicht, was der größere Fehler gewesen war: zu einem Priester zu gehen oder danach zu Jean. Einen Kaffee brauchte er jedenfalls nicht mehr. »Ich war in dieser Kirche in der Rue des Bernardins. Ein Abbé Richet hat mit mir gesprochen.«
    »Wie viel hast du ihm erzählt?«
    »Gar nichts. Ich wollte nur seine Meinung zu ein paar Dingen hören, die Rafe mir gesagt hat.«
    »Warum …« Er unterbrach sich selbst. »Okay, ich habe das Studium abgebrochen. Vielleicht hältst du mich nicht für kompetent. Aber du musst wirklich vorsichtig sein, was du einem Geistlichen erzählst, hörst du? Viele glauben selbst nicht mehr an Dämonen und schicken dich zum nächsten Psychiater.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du Theologie studiert hast. Du sagst mir ja nichts über dich!«
    »Das habe ich nicht erwähnt?«
    »Nein.«
    »Gut, mein Fehler«, gab er zu. »Lass uns gleich noch mal in Ruhe darüber reden.«
    Sie erhaschte einen Blick in das geräumige Bad, bevor er darin verschwand, und ging in die Küche. Der letzte Anstrich der Tapete lag nicht so lange zurück, aber ansonsten ähnelte die Einrichtung jener bei Madame Guimard. Die Unordnung auf dem Tisch und das benutzte Geschirr rund um die Spüle hätte die alte Dame jedoch keinen Tag geduldet. Nachdem sie das Wohnzimmer so unbenutzt und – vom Staub abgesehen – geradezu steril in Erinnerung hatte, fand Sophie das Durcheinander eher beruhigend. Er war wohl doch weder ein Engel noch ein zwanghafter Aufräumer. Auch das Kaffeepulver musste sie gar nicht erst im Schrank suchen, da es neben der Maschine stand. Soll ich noch mal losziehen und Croissants oder pain au chocolat kaufen?, überlegte sie, während sie Kaffee aufsetzte. Doch beim Gedanken an die sechs auf dem Rückweg zu überwindenden Stockwerke endete ihre Opferbereitschaft.
    Sie sah aus dem Fenster, während die Maschine blubberte und sich der Kaffeeduft ausbreitete. Außer dem Hof tief unten, weiteren Fenstern und dem Himmel über dem mit Kaminen und Mansardenfenstern gesprenkelten Dach gab es nicht viel zu entdecken. Irgendwann stürmte Jean an der Tür vorbei und war wieder außer Sicht, bis sich Sophie umgedreht hatte. Warum war er so sauer geworden? Hielt er sie wirklich für so dumm, einem Fremden von ihrem Erlebnis mit Rafe zu erzählen? Hatte sie ihn damit verletzt, dass sie nicht zu ihm gekommen war, oder hegte er nur eine Abneigung gegen die Kirche? Es musste schließlich einen Grund geben, warum er das Studium nicht abgeschlossen hatte und selbst Pfarrer geworden war. Ausgerechnet Theologie studierte man wohl kaum aus reiner Neugier auf das Fach.
    »Warum hast du abgebrochen?«, erkundigte sie sich, als er in die Küche kam. Er trug Laufschuhe, Shorts und ein an ihm völlig ungewohnt helles T-Shirt. Dass er auf ihre Frage als Erstes ein Päckchen Zigaretten aus dem Chaos auf dem Tisch fischte und sich eine anzündete, passte zu diesem Outfit wie ein Frack oder Zylinder.
    Demonstrativ öffnete Sophie das Fenster. In seiner eigenen Wohnung konnte sie ihm das Rauchen schlecht verbieten, doch sie wollte in dieser Hitze nicht auch noch Qualm atmen.
    »Wenn du nicht willst, dass ich rauche, solltest du nicht so inquisitorische Fragen stellen«, riet er, kam zu ihr herüber und blies den Rauch hinaus.
    Ihr fiel auf, dass er es immer so machen musste, sonst hätte die Wohnung anders gerochen. »Ich wusste nicht, dass es eine so heikle Frage ist.«
    »Du hast wahrscheinlich nie gegen die Konventionen verstoßen. Oder etwas getan, was Außenstehende als Versagen deuten könnten.«
    O Mist, wieder voll ins Fettnäpfchen getappt. Hätte sie sich nicht denken können, dass Leute deshalb auf ihm herumhackten? Seine Eltern, Studienkollegen, Professoren, Geistliche … »Ich, ähm …« Nein, spontan fiel ihr nichts ein, wofür alle Welt sie verurteilte.
    »Hältst du es denn für Versagen, wenn

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