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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Gläubiger, um für seine Genesung oder die eines Angehörigen zu beten.
    »Gegrüßet seiest du, Maria«, murmelte Jean und dachte an das fleckige, abgegriffene Bild der Mutter Gottes, das er in einer Innentasche seines Mantels aufbewahrte. Es hatte weder seiner Schwester noch seinen Eltern etwas genutzt, aber es war das Erste gewesen, worauf sein Blick inmitten des Blutes gefallen war. Voll der Gnade. Maria mochte gnädig sein, Gott war es nicht.
    Verblüfft bemerkte er, dass sich Lilyth in ihrem Rollstuhl bekreuzigte. Sie hätte laufen können, doch die Krankenschwester hatte rasch den Rollstuhl gebracht und darauf bestanden, dass sie sich noch schonte.
    »Glotz nicht so! Ich hab was gutzumachen.« In ihrem Bademantel sah sie noch jünger und ein wenig unförmig aus. »Ich will auch so ’ne Kerze anstecken. Sie sollen wissen, dass ich’s ernst meine.«
    Jean zuckte die Achseln. »Kostet nur einen Euro.«
    »Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich?« Sie sah ihn empört an. »Sollte ich nicht hierherkommen, um Schutz vor dem Dämon zu erbitten?«
    »Ich bin auf deiner Seite. Wenn das bedeutet, dass ich dir eine Kerze kaufen muss, bitte schön.« Er zog sein Portemonnaie hervor und holte einen Euro heraus, um ihn ihr in die Hand zu drücken. »Aber so ein bisschen Wachs und Beten wird in deinem Fall nicht mehr genügen. Ich habe dich hier heruntergebracht, damit wir offen reden können. Abbé Gaillard hat angeboten, herzukommen und einen Exorzismus durchzuführen, falls sich mein Verdacht bestätigt.«
    Lilyths Augen weiteten sich. »Ich … nein, ich weiß nicht. Das muss doch nicht sein, oder? Vielleicht bin ich dafür noch viel zu schwach. Und müssen meine Eltern nicht mit so etwas einverstanden sein?«
    Kann man es einem Mädchen, das »Der Exorzist« gesehen hat, verdenken, dass es Angst hat? »Willst du deinen Eltern denn erzählen, was du mit deinen Freunden so getrieben hast?«
    »Nein, spinnst du? Die lassen mich nie wieder aus dem Haus! Quatsch, die sperren mich dann tatsächlich in die Klapse!«
    Jean nahm an, dass sie damit nicht ganz falsch lag. Es gab geschlossene psychiatrische Anstalten für Jugendliche mit selbstzerstörerischen Tendenzen. Alex hatte ihm die Informationen im Internet besorgt, weil er sich keinen eigenen Anschluss leisten konnte. Wenn Lilyths Eltern erfuhren, dass ihre Tochter nicht nur ein harmloser Gothic-Fan war, sondern in einem Zirkel ernsthaft mit schwarzer Magie experimentiert hatte, würden sie wahrscheinlich geneigter sein, zu einem drastischeren Mittel als wöchentlichen Therapiesitzungen zu greifen. »Dann solltest du froh sein, dass Gaillard bereit ist, über die Vorschriften hinwegzusehen. Er geht damit auch ein Risiko ein. Ist dir das klar?«
    »Warum kannst du das nicht machen? Ich weiß, dass du’s schon getan hast.«
    »Weil es sicherer für alle ist, wenn mehr Leute daran beteiligt sind. Du kannst dem Abbé vertrauen. Er hat viel Erfahrung darin.«
    »Aber ich kenne den Mann nicht!«
    Er beschloss sicherzugehen, bevor er sich auf weitere Diskussionen einließ, und steckte erst einmal seine Brieftasche wieder ein. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
    »Wenn ich jetzt Ja sage, willst du, dass ich diesen Abbé machen lasse. Ich bin doch nicht blöd!«
    Dazu sage ich jetzt lieber nichts. »Lilyth, mein Ehrenwort, dass es um etwas anderes geht.« Er hielt ihrem skeptischen Blick stand.
    »Okay, was soll ich machen?«
    »Nichts Großartiges«, wiegelte er ab, legte seinen Mantel über die Lehne einer Bank, setzte sich und holte ein Heiligenbild hervor, das er am Morgen zu diesem Zweck eingesteckt hatte. »Ich möchte, dass du eine Weile still betest und dabei dieses Bild ansiehst. Es ist der heilige Michael, der Erzengel, der den Teufel besiegt hat.«
    »Ist das ein Geschenk, das mich beschützen soll?« Sie schien zwischen Dankbarkeit und Unglauben zu schwanken.
    »Ja.« Das kann man so sehen, fügte er insgeheim hinzu.
    »Danke«, sagte sie und nahm das Bild zögernd an sich. Er sah genau hin, entdeckte jedoch nichts Auffälliges. Das Widerstreben konnte viele Ursachen haben. Sie war schließlich keine gläubige Katholikin mehr. »Und was wirst du solange tun?«
    »Dasselbe.«
    »Na gut. Dann fang ich mal an.« Achselzuckend setzte sie sich im Rollstuhl zurecht, nahm das Bild auf ihrem Schoß in beide Hände und betrachtete es.
    So weit, so gut. Jean verschränkte die Arme und richtete den Blick ebenfalls nach unten, um Lilyth so unauffällig wie

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