Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
Vom Netzwerk:
verstorbenen Verlobten vorzuzeigen, als gebe es ihn noch, aber eine andere, wenn fremde Frauen ihretwegen das Bild eines Toten anschmachteten.

    Ein paar Stunden später saß Sophie auf dem Bett und hatte das Foto erneut in der Hand. Rafe war darauf ausgesprochen gut getroffen. Er lächelte so natürlich in die Kamera, als gäbe es sie nicht, und das leicht gelockte, vom Wind zerzauste Haar hätte kein Stylist vorteilhafter frisieren können. Sie hatte ihn gern damit aufgezogen, dass es sein Bewerbungsbild für Hollywood sei – eine sichere Methode, um eine Balgerei zu provozieren, denn er hatte es gehasst, wenn jemand auf sein Aussehen anspielte. »Schönlinge kann niemand leiden«, hatte er manchmal gesagt und düster vor sich hin gestarrt, bis sie die Wolken an seinem Himmel verscheucht hatte.
    Es tat weh, das Bild anzusehen. Wie oft hatte sie nach der Beerdigung genauso dagesessen und Tränen vergossen! Hatte sich gewünscht, er würde sie nur noch einmal so anlächeln. Schwer zu glauben, dass es bald Wirklichkeit werden könnte. Die Puzzleteile passten bis jetzt nicht zusammen. Aber sie konnten sich immer noch zu dem Bild fügen, das sie herbeisehnte. Dieser Jean musste ihr heute mehr verraten – sie würde sich nicht noch einmal mit Andeutungen abspeisen lassen.
    Irgendwo in Madame Guimards Wohnung läutete das Telefon. Sophie fiel auf, dass sie nicht wusste, wo es stand, weil sie nur ihr Handy benutzte. Handy! Das war das Stichwort. Sie musste endlich den Akku aufladen, bevor … Der Blick aufs Display verriet ihr, dass sie ohnehin nur noch eine halbe Stunde Zeit hatte. So ein Mist!
    »Sophie?« Madame Guimards Stimme vermischte sich mit eiligen Schritten. »Es ist für dich!«
    Verwundert sprang Sophie vom Bett, riss die Tür auf und stieß beinahe mit ihrer Vermieterin zusammen.
    »Schnell, schnell!«, drängte Madame Guimard. »Deine Mutter ist dran.«
    Sophie konnte sich ein Stöhnen nicht verkneifen, ließ sich aber ins Wohnzimmer scheuchen, wo der Hörer neben einem altmodischen Apparat mit Wählscheibe lag, der zum Stil der Einrichtung passte. »Ja?« Es klang genervter, als sie beabsichtigt hatte, doch sie verspürte keine Reue. Wenn sie damit einen Streit vom Zaun brach, umso besser.
    »Sophie, Kind! Wir haben gestern den ganzen Tag auf deinen Anruf gewartet. Wenigstens sonntags könntest du dich doch mal melden und uns sagen, dass es dir gut geht!«
    »Das hatten wir nicht ausgemacht, oder?« Die Frage war rhetorisch. Sie wusste sicher, dass sie in ihrem Zorn nichts dergleichen versprochen hatte.
    »Das ist doch selbstverständlich! Wir sind deine Eltern. Wir machen uns immer Sorgen um dich.«
    Manchmal auch mehr darum, was für euch schöner wäre. »Das ist nicht nötig. Es geht mir gut. Ich musste gestern für die Abschlussprüfung lernen und war abends noch aus.«
    »Du treibst dich doch hoffentlich nicht nachts allein in dieser Stadt herum.« Die Stimme ihrer Mutter wurde noch aufgeregter, fast schon schrill. »Letzte Woche haben sie wieder brennende Autos in diesen ban… diesen üblen Vororten gezeigt.«
    »Du meinst die banlieus. Die sind meilenweit weg von der Innenstadt. Hier brennt nichts.« Ihr Blick schweifte über die silbergerahmten Fotos auf der Kommode. Madame Guimards Familie war offenbar größer, als es den Anschein hatte.
    »Man kann nie wissen. Heutzutage ist man nirgendwo mehr sicher. Vor zwei Monaten haben sie bei Katzes eingebrochen. Die wohnen nur zwei Straßen von uns! Das hatte ich dir doch erzählt. Der ganze Schmuck und das Geld waren weg.«
    Sophies Gedanken schweiften ab. War das die junge Brigitte Bardot, die da mit einer ebenfalls jüngeren Madame Guimard für ein Foto posierte?
    Ihre Mutter plapperte unbeirrt weiter. »Da fällt mir ein: Erinnerst du dich an Matthias, den Sohn von Katzes? Er lässt dir Grüße ausrichten.«
    Jetzt geht das wieder los! »Schön für ihn. Ich bin nicht interessiert.«
    »Aber er ist doch nett und hat einen guten Job bei …«
    Sophie wurde kalt vor Wut. »Mama, ich bin gleich verabredet«, fiel sie ihr schneidend ins Wort. »Sag mir lieber, wie’s Papa geht.«
    »Gut, wenn er sich nicht gerade Sorgen um dich machen muss. Mit wem gehst du denn aus?« Wieder dieser schrille Unterton. Die Vorstellung, die einzige Tochter könne nun nach Paris auswandern, nachdem das Schicksal ihr gerade erst das Hamburg-Desaster erspart hatte, musste für ihre Mutter die Hölle sein.
    Sophie war versucht, ihr an den Kopf zu werfen, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher