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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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halt so aufschnappt.«
    Die Beschaffenheit der Jalousien eines Instituts? Sie schüttelte den Kopf. Wo sollte ein Mann, der erst seit ein paar Wochen in Paris war und sich die meiste Zeit mit Verbrechern herumtrieb, so etwas gehört haben?
    Die Straße mündete in die Auffahrt einer stark befahrenen Eisenbrücke über die Seine. Jenseits des Wassers ragten die gemauerten Kais der Île Saint-Louis aus den Fluten. Sophie wurde bewusst, dass sich nur ein Stück flussabwärts die Pont de la Tournelle befand, von der sie beinahe gesprungen wäre. Sie schluckte und sah absichtlich nicht nach links.
    »Was beunruhigt dich?«, erkundigte er sich ernst, aber sie bildete sich einen fast unhörbaren, gereizten Unterton ein. Andererseits fand sie bemerkenswert, dass er ihre kleine Verstimmung wahrgenommen hatte.
    »Nichts«, log sie. »Ich habe dich gefunden. Was kann mir jetzt noch passieren?« Sie hörte selbst, wie falsch es klang.
    Er lachte auf und drückte sie kurz an sich. »Wir wissen beide, dass du etwas ganz anderes denkst. Du bist enttäuscht von mir. Wie war ich früher? Was willst du zurückhaben?«
    »Du warst … völlig anders. Wirklich komplett«, brach es aus ihr hervor, während sie die Ampel nutzten, um neben der Brücke die Uferstraße zu überqueren. »Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll.«
    »Und dir gefällt nicht, was du jetzt bekommen hast.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Er blieb über der Treppe, die zur Seine hinabführte, stehen und wandte sich ihr zu. Ihr Gesicht war seinem so nah, dass sie seinen Atem auf der Haut spürte. Sie konnte nicht leugnen, dass er in mancher Hinsicht eine Enttäuschung war, aber hatte er nicht sein Gedächtnis verloren? Dafür konnte sie ihm keinen Vorwurf machen, und im Grunde seines Herzens musste es ihn – allem Anschein zum Trotz – zutiefst verunsichern, nicht zu wissen, wer er eigentlich war. Sie wollte ihn nicht verletzen. Und ganz sicher wollte sie, dass er sie wieder küsste.
    Sie hob die Hand, um mit der Rückseite ihrer Finger über seine Wange zu streichen, wie sie es früher so gern getan hatte. Die Haut war so glatt wie in ihrer Erinnerung. Nur eine Andeutung von Stoppeln rieb sacht an ihrer Haut. »Du gefällst mir immer noch sehr gut. Aber willst du denn gar nicht in dein altes Leben zurückkehren? Jetzt, da du jemanden hast, der dir davon erzählen kann?«
    Er rückte ein kleines Stück von ihr ab. In seinem Gesicht stand plötzlich ein solcher Ernst, dass sie sich in seinem Arm versteifte und ebenfalls zurückwich. »Wie auch immer es ausgesehen haben mag: Das kann ich nicht. Es gibt Dinge, die kann man nicht ungeschehen machen.« Es klang bitter – und unversöhnlich. In seinen Augen loderte etwas auf, das sie sich instinktiv noch weiter zurückziehen ließ. »Wenn du aus Liebe hier bist, solltest du überhaupt nicht hier sein«, knurrte er. »Lauf weg, solange du …« Abrupt verstummte er und verzog das Gesicht, als habe er Schmerzen.
    »Warum? Was ist los?« Seine Worte hatten sie ebenso verwirrt wie das jähe Schweigen.
    Rafe schüttelte den Kopf. Seine Miene nahm einen zynischen Ausdruck an. »Nichts. Komm!« Er ergriff ihre Hand. »Ich schätze, wir sollten beide das Beste daraus machen.«
    »Woraus denn?«, wollte sie wissen, folgte ihm jedoch widerstandslos die Stufen zum Fluss hinab.
    »Aus diesem Abend. Und allem, was vielleicht noch folgt.«
    Sollte das heißen, dass er noch nicht wusste, ob er sie morgen wiedersehen wollte? Ich überfordere ihn. Ich will, dass er jemand ist, an den er sich nicht erinnert. Wer ertrug schon einen Partner, der ständig an einem herumnörgelte? Sie musste ihm die Chance geben, von selbst zu sich zurückzufinden. Bestärkend drückte sie seine Hand, und er lächelte ihr zu.
    Wie scheinbar überall in Paris hatte man auch hier das Seine-Ufer durch Mauern befestigt, doch die übliche, erhöhte Uferstraße lag weiter landeinwärts. Sie verschwand gänzlich hinter den Bäumen eines breiten Grünstreifens, der von Wegen und kleinen Plätzen durchzogen war. Radfahrer sausten an Sophie vorüber, unter ihnen auch Polizisten auf Streife, die gelegentlich anhielten, um heruntergekommene Gestalten anzusprechen, denn die Bänke mit Blick auf den Fluss und das gegenüberliegende Ufer luden nicht nur Spaziergänger, sondern auch Obdachlose ein.
    Rafe führte sie auf dem gewundenen Weg zwischen Wasser und Park entlang. Es gefiel ihr, dass das Ufer hier nicht so einförmig aussah. Vereinzelt ragten

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