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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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die raffiniertesten Täter können unter Zwangsneurosen leiden, die ihnen früher oder später zum Verhängnis werden. Zum Beispiel, ihre Opfer zu fotografieren.«
    Jean lachte freudlos auf. »Ich kann mir wirklich schönere Bilder vorstellen, um meine Wohnung zu dekorieren.«
    »Heben Sie sich die für Ihre Zelle auf, wenn ich Sie endlich eingebuchtet habe.«
    »Das werden Sie nicht, wenn Sie nicht anfangen, Beweise zu fingieren.« Jean wusste im selben Moment, dass er zu weit gegangen war. Gournay noch weiter gegen sich aufzubringen, war nicht besonders klug, auch wenn seine Selbstgerechtigkeit noch so sehr dazu reizte.
    »Halten Sie die vorlaute Schnauze, Méric, oder es wird Ihnen leidtun! Ich weiß, dass Sie da ganz tief drinste…« Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. »Was gibt’s?«
    Ein jüngerer Polizist öffnete und nickte grüßend in die kleine Runde. »Wir müssen ihn freilassen, Monsieur le Commissaire. Mehrere Zeugenaussagen bestätigen, dass er erst in die Gasse rannte, als bereits Schreie zu hören waren.«
    Gournay schoss Jean einen Blick zu, dessen Bedeutung unschwer zu erraten war. Er stand nicht mehr unter Tatverdacht, doch man würde weiter gegen ihn ermitteln, ob er in irgendeiner Form in diesen scheinbaren Selbstmord, den die Polizei aufgrund der Ausführung für Mord hielt, verwickelt war. Hoffentlich trieb der Kommissar niemanden auf, der das Opfer nachmittags im L’Occultisme gesehen hatte, sonst würden sie ihn noch einmal zum Verhör holen.
    »Eine Frau aus dem Haus gegenüber hat beobachtet, wie er am Tatort ankam, mit einer Taschenlampe hantierte und schließlich Fotos machte«, fuhr der junge Gendarm fort. »Sie hielt ihn für einen Reporter, der zufällig in der Nähe war.«
    »Was die Frau glaubt, interessiert mich nicht«, knurrte Gournay. » Wir wissen, dass er kein Zeitungsfritze ist. Zur Hölle mit Ihnen und Ihren Bildern, Méric! Verschwinden Sie! Ich hab Ihr Gesicht für heute lang genug gesehen.«
    Jean stand auf und folgte schweigend Gournays Kollegen, der ihn verstohlen musterte. Demnach hatten andere ihm schon einiges über den Verrückten erzählt, der sich ständig dort herumtrieb, wo es Ärger gab.
    »Brigadier Tiévant erwartet Sie«, eröffnete ihm der Gendarm. »Er wird Ihnen Ihre Sachen zurückgeben und Sie bitten, einige Papiere zu unterschreiben. Sie kennen das ja schon.«
    »Ja, danke, ich hatte das Vergnügen bereits.« Warum musste er Polizisten gegenüber eigentlich immer zynisch werden? Im Grunde hatte er nichts gegen sie. Sie leisteten wichtige und gefährliche Arbeit, von der er oft mehr sah als die meisten anderen Pariser. Es lag wohl daran, dass sie seine Arbeit nicht sahen – und er sie ihnen auch nicht erklären konnte, ohne Bekanntschaft mit ebenjener Psychiatrie zu machen, auf die Gournay so große Stücke hielt.
    Tiévant gehörte zu den wenigen, die erkannten, dass er auf ihrer Seite stand. Der eher kleine, aber kräftig gebaute Gendarm, dessen lebhafte, dunkle Augen dem ansonsten unbewegten Gesicht einen sympathischen Zug verliehen, begrüßte Jean mit einem aufrichtigen Lächeln. »Nimm’s Gournay nicht übel. Der macht auch nur seinen Job.«
    »Schon klar«, behauptete Jean leichtfertig, aber es gelang ihm nicht, eine heitere Miene aufzusetzen.
    »Schlimme Sache, was? Mal wieder zu spät gekommen? Glaub mir, ich weiß, wie das ist.« Tiévant schob ihm das Sammelsurium seiner Sachen über den überfüllten Schreibtisch, so gut es ging.
    »Das Schlimmste sind die Leute, die gar nicht wollen, dass man ihnen hilft«, meinte Jean und dachte dabei an Sophie. Seine Habseligkeiten waren vollständig. Er zog die Armbanduhr an, stopfte seine Schlüssel in die Hosentasche und packte den Rest in die Taschen seines Mantels, der über der Lehne eines Stuhls gehangen hatte.
    Tiévant grinste. »Mit der Plastikflasche und der Kamera könnte man dich glatt für einen Touristen halten. Aber du bist wahrscheinlich der Einzige in der ganzen Stadt, der ein geschnitztes Holzkreuz mit sich herumschleppt.«
    »Man weiß nie, wozu man es mal brauchen kann«, erwiderte Jean und unterschrieb die Papiere, die der Gendarm ihm hinlegte, ohne sie zu lesen. »Man sieht sich, Tiévant!«
    »Hoffentlich nicht so bald.«

    Madame Guimards Laden war wirklich klein. Er bestand aus zwei Räumen, die zusammen kaum größer waren als so manches Wohnzimmer. Die in der Machart, aber immerhin nicht im Zustand an L’Occultisme erinnernde Eingangstür wurde von zwei kleinen

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