Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)
war’s schon so spät, da wollte ich nicht mehr stören.«
»Ist okay. Macht ja nichts, solange es dir gut geht. Dir geht’s doch gut, oder?«
»Ja, alles bestens. Kein Grund zur Sorge. Und euch?«
»Oh, prima. Stefan ist gerade unterwegs und organisiert alles für einen Brunch, weil wir so spät aus dem Bett gefallen sind.«
Sophie entschlüpfte ein Seufzen.
»Was?«, empörte sich Lara. »Darf ich ihn jetzt nicht mal mehr erwähnen?«
»Wie? Ach so! Nein, nein, so war das wirklich nicht gemeint. Ich war nur … furchtbar neidisch, weil …« Gott! Ich kann nicht sagen: »Weil Rafe nicht bei mir übernachtet hat.«
»Oh, läuft es nicht gut mit diesem … Wie hieß der Typ mit den Engeln noch gleich?«
»Jean.«
»Schöner Name«, befand Lara mit echt klingendem Enthusiasmus.
»Äh, ja, aber leider ist er wirklich irgendwie völlig neben der Spur. Weißt du, es gibt da noch einen anderen, und Jean …«
»Moment mal! Du triffst dich noch mit einem anderen? Wow! Das ist Paris, schätze ich.«
Trotz allem musste Sophie lachen. »Ja, vielleicht. Ich werde Stefan raten, dich auf jeden Fall von hier fernzuhalten.«
»Du hast bloß Schiss, dass ich dir diesen Jean ausspanne«, feixte Lara. »Und wie heißt Kandidat Nummer zwei?«
»Er …« Sophie merkte selbst, dass die Pause zu lang wurde. »Raphaël.« Sie sprach es so französisch aus wie möglich, als ob das auch nur eine Sekunde darüber hinwegtäuschen konnte, dass es Rafes Name war.
»Raphaël«, wiederholte Lara tonlos. »Das … ist irgendwie schräg, oder? Ich meine, so häufig ist der Name ja nicht.«
»Du hast keine Ahnung, wie schräg das hier alles ist.«
»Aber du bist dir sicher, dass du nicht nur seines Namens wegen auf ihn abfährst?«
»Absolut sicher.«
»Und wie ist er so?«
»Definitiv ganz anders als Rafe!«
Lara lachte auf. »Okay, das war überzeugend. Wäre ja auch ein bisschen viel Zufall.«
Gut, dass du ihn noch nicht gesehen hast.
»Na ja, also wenn du dich mit beiden verabredest, kann ich mir schon vorstellen, dass Jean Probleme macht. Ich hätte Stefan auch die Meinung gesagt, wenn er sich parallel zu mir mit einer anderen getroffen hätte. Irgendwann muss man sich entscheiden.«
»Ich treffe mich doch gar nicht mit ihm! Aber er hat gestern Abend vor der Tür auf mich und Raf…phaël gewartet und die beiden wären fast aufeinander losgegangen.«
»Shit«, gab Lara zu. »Ist das so einer, der nicht kapiert, wenn er einen Korb bekommt?«
»Ich weiß nicht. Er hat schon von Anfang an schlecht über Raphaël geredet. Er faselt so unglaubliches Zeug, dass er ein gefallener Engel sei, der nur hinter mir her ist, um mit mir so eine Art Höllenkind zu zeugen.«
»Das ist ja total krank!«
»Sag ich doch! Er hat es mir sogar aufgeschrieben. Zitate aus der Bibel.«
»Aus der Bibel.« Laras nüchterner Tonfall unterstrich, wie entgeistert sie war.
»Aus dem Buch Henoch, um genau zu sein. Manchmal könnte man wirklich glauben, er sei Priester. Aber wenn er verrückt ist, denkt er sich das vielleicht alles auch nur aus.«
»Warte, ich schau einfach mal im Internet nach.«
»Warum?«, schnappte Sophie. »Selbst wenn das in der Bibel steht, glaubst du doch so einen Blödsinn nicht!« Sie hörte das Klappern einer Tastatur im Hintergrund.
»Nein, aber dann weißt du wenigstens, ob er sich das aus den Fingern saugt. Vielleicht lässt er dich in Ruhe, wenn du … Ah, da ist es! Buch Henoch. Das ist kein Teil der Bibel, das ist so eine apokryptische, nee, sorry, apokryphe Schrift, die nie in die Bibel aufgenommen wurde – außer in die äthiopische, steht hier.«
»Ich wusste nicht einmal, dass die Äthiopier eine eigene Bibel haben«, staunte Sophie. »Andererseits wundert mich nicht, dass er sich da auskennt. Anscheinend arbeitet er in einer Buchhandlung, die sich auf Okkultismus, Esoterik und das ganze Zeug spezialisiert hat.«
»Okay, ich seh’s ein. Er ist ein Freak«, gab Lara zu, doch sie klang nicht ganz bei der Sache. »Ist ja schon abgefahren genug, wenn jemand wortwörtlich glaubt, was in der Bibel steht, aber … Oh, hier ist ein Link in Sachen gefallene Engel und Riesen.«
»Lara, mich interessiert eigentlich nicht, was sich irgendwelche Verschwörungstheoretiker im Netz daraus zurechtbasteln.«
»Ich bin bei Wikipedia! Seit wann sitzen da die Paranoiden?«
»Also letztendlich weiß man da auch nicht, wer … Nein, ist schon gut. Zu Hause schau ich dort ja auch alles nach.«
»Diese
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